Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 18. Mai 1895

Paul Rottenburg

ADRESS TELEGRAMS

Rottenburg, Glasgow.

18/5. 95.

Liebster Freund!

Unverzeihlich lang habe ich Dich auf Dank warten lassen für Deinen lieben Brief vom 8/4 und die reiche Büchersendung, die ihn begleitete. Aber ich hoffe Du läßest „mildernde Umstände“ gelten und kannst Dir von „Tante Ida“ bescheinigen lassen daß ich trotz Phonograph und Schreibmaschine nicht durch meine Arbeit kommen kann. Im Geiste habe ich Dir schon oft herzlich gedankt und thue es hiermit Schwarz auf Weiß viel vielmals. – Vorige Woche hatte ich in Londona zu thun und ein Pariser Freund der mich dort traf sprach 2 mal mit seiner Frau vor dem Frühstück per Telefon und sagte es sei glockenklar gewesen. – Vielleicht erleben wir es noch daß ich Dich von Glasgow aus in Jena anklingle und Dir per Telefon danken kann. Dann laß ich mich matrikuliren und höre Colleg bei Dir per Telefon. Als Gegenleistung verbinde ich Dicha Samstags dreimal mit einer frommen schottischenb Kirche. ‒ Möge Dir Deine rege Schaffenskraft noch lange erhalten bleiben. – Sohn Louis war zum 1/4 als Representant seiner Polytechnicum Verbindung in Friedrichsruh. ‒ riesig begeistert ‒ Du wirst nach der Abstimmung im Reichstag und Berliner Stadtverordneten einen neuen Stammbaum aufstellen || müssen. Ist es denkbar daß es derartige Mistfinken giebt. Und was mich besonders ärgert: nur Deutschland producirt solche infame malitiös dumm kritischen Stinksäcke die für die Größten der Nation nur Neid & nicht eine Spur Anerkennung haben. – Hoffentlich führt uns Sommer 95 zusammen. – Meine Frau und Töchter wollen nach Münster a/Stein nächsten Monat und ich in Geschäften nach Rußland. Eventuell würde ich versuchen auf der Rückreise bei Euch anzuspritzen. Dein Großtöchterchen erfreute uns mit einer reizenden Photographie – sie hat ein bedeutendes Köpfchen. Ist das Lisbeth, die das baby enger hält? Ich habe darüber das Zanken mit meiner Frau bekommen. – Beilege gelegentlich diesen ehelichen Zwist per Postkarte. –

Um den Frühling sind wir schmählich betrogen worden. Auf einen endlosen Winter folgte Anfangs des Monats Sommer und die letzten Tage ist es zur Verwunderung mal wieder hundekalt.

Viele herzliche Grüße von Haus zu Haus auch gelegentlich an die Leipziger – Walter und Dr. Heinrich. – Im August soll es zur Sommerfrische in die Schweiz. –

Adio carissimo

Dein stets dankbarer

Paul Rottenburg

a gestr. Paris; b mit Bleistift eingef. Dich; c mit Bleistift eingef. schottischen

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
18.05.1895
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31492
ID
31492