St. Enoch Station Hotel
Glasgow.
15 Aug. 1894.
Liebster Freund!
Vielen Dank für Deinen letzten Brief, welcher die Denkschrift und Dein brillant gelungenes Conterfei begleitete. Es ist das beste Bild, welches ich von Dir besitze und macht mir viel Freude. Die Einlage für Murray wurde sofort besorgt und die für die brüderliche Liebe bestimmte Copie abgegeben. – Schade daß || Du nicht nach Oxford konntest; – es wäre eine so prächtige Gelegenheit gewesen Dich wiederzusehen. – Noch mehr leid aber thut es mir um den Grund, der Dich abgehalten hat! – Uns ist es gut und schlecht ergangen. Gut im allerengsten Familienkreise. – Aber sonst hat 94 viele Lücken gerissen. – In den letzten Monaten haben wir in kurzen Zwischenräumen die noch einzig überlebende Schwester meines verstorbenen Vaters verloren, dann eine jüngere Schwester von mir, die in Danzig ver||heirathet und Mutter von 7 Kindern war – den einzigen Bruder meiner Frau, den die Aerzte nach Karlsbad geschickt und 14 Tage nach seiner Rückkehr auf Krebs operirt hatten mit dem Resultat daß er binnen weniger Stunden starb – endlich der Schwiegervater meines Bruders – der frühere amerikanische Gesandte in Berlin Phelps. – Meine Schwägerin wurde nach New York citirt – traf ihren Vater aber bereits ohne Bewußtsein an. –
Gottlob geht es Frau und Kindern gut. – Für die Sommermonate habe ich in Birnam (Perthshire) gemiethet und augenblicklich haben wir unsere Fünf zu Hause. Vor 4 Wochen kam noch dazu meiner Frau Schwager mit seiner Frau und 2 Töchtern herüber und wir haben schöne Touren miteinander gemacht. Staffa und Iona standen auf dem Programm und jede vorbei schwimmende Meduse (und bei dem || herrlich warmen Wetter war die ganze Meeres Oberfläche belebt) schien uns einen Gruß von Dir zu bringen. – Zum 1sten Male bin ich auch durch den Caledonian Canal gegangen und habea die Scenerie sehr bewundert. – Weßhalb!! Kannst Du denn nie mit Roeschen uns || besuchen!? Es wäre doch gar zu schön. –
Heute Nachmittag brachten wir unsere Gäste in Leith an Bord des Hamburger Dampfers und seit heute Abend gehe ich wieder im Geschirr. – Meine Frau wollte zu Hause (in Holmhurst) nachschauen; doch fanden wir das Haus unbewohnbar. Die Elektrotechniker, die uns erleuchten sollen haben das Unterste zu Oberst gekehrt. – Wir mussten || also nolens volens ins Hotel gehen. –
Hoffentlich geht bei Meyers Alles nach Wunsch und Dir oder Euch bekommt Baden-Baden gut. – Ich denke mein Weg führt mich im Herbst nach Deutschland und Fortuna behandelt mich nicht so stiefmütterlich wie das letzte mal sondern gönnt mir einen Besuch wo Ihr auch immer seid. –
Zu Deinem neuen Mitbürger besten Glückwunsch. – Wo steckt Walter und was treibt er. – Besten Gruß an Schwester Roeschen – Heinrich und Emma.
Immer
Dein
treu ergebener
Paul Rottenburg
Du erhältst dieser Tage die Familie Rottenburg – eigene Aufnahme. –
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