Rottenburg, Paul

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 6. November 1892

Paul Rottenburg.

ADDRESS TELEGRAMS

Rottenburg, Glasgow.

6 November 1892.

Liebster Freund!

Du hast der Familie Rottenburg mit Deiner Riesenkiste den Weihnachten 7 Wochen vor der Zeit ins Haus gebracht und Jung und Alt mit Deinen übergroßen Gaben riesig erfreut. – Ich fühle mich ganz beschämt daß Du uns so viel von deiner kostbaren Zeit geopfert hast – danke Dir aber für die Aquarelle ganz speziell. – Auch das interessante Manuscript der Schöpfungsgeschichte soll in besondersa hohen Ehren gehalten werden. – Die Mädchen kommen sich sehr groß vor mit ihrem Buch. – Die Söhne sind: Nr. 1. in Berlin auf dem Polytechnikum. – Die zwei jüngeren auf der Schule in Musselburgh werden also ihr schönes Säugethierwerk erst zu Weihnachten bekommen. – Auch Fritz hat sich über seine Dedikation sehr gefreut. – || Tausend Dank! Murray’s Paquet spedirte ich sofort. – Er hat sich ja ein castle bei Edinburgh gekauft oder gemiethet. Das lockt Dich doch noch einmal herüber. Mir tönt Dein: „Das war mein letzter Besuch in Schottland.“ noch immer in den Ohren wie dem Verdammten das „Zurück“ an der Himmelspforte. Nimm’s zurück! Wir gehen dann in weniger melancholische Gegenden des Skye. – Versuche auf meiner schwachen Amateurfotografie in Loch Coruisk – Eigg – die Stelle wo wir uns in Skye trennten – Quiraing und Dich selbst wiederzuerkennen. Ehe wir unsere große gemeinschaftliche Reise machen, muss ich mich noch vervollkommnen um Dein Reisewerk dann illustriren zu können. – Deine Karte erhielt ich dankend. – Ein paar Tage in Paris waren etwas Abwechslung von der Glasgower Tretmühle, die || mir stellenweise doch auf die Nerven fällt. – Etwas Entfernung verspreche ich mir von Edison-Bells ambitionirten Phonographen und Graphographen – der jetzt hier praktisch eingeführt werden soll. Es ist wirklich das Unglaublichste auf wissenschaftlichem Gebiete. – Du sprichst Dein Diktat beliebig schnell in den Apparat und kannst eine Spezialrolle für Briefporto an Deine Freunde schicken, die Dich dann sprechen hören oder aber irgend ein Commis schreibt das Diktat aus. – Deine Vorträge können in Zukunft auf jeder Universität in Deiner Stimme gehört werden. – Man abonnirt sich in Zukunft nicht mehr auf Bücher sondern auf Rollen und || schont seine Augen. – Für Sprachunterricht ist die Sache von unermesslichem Werthe – denn man kann beispielsweise französisch im Akzent du Theatre français lernen.

Mit nochmaligem herzlichsten Danke und mit vielen Grüßen von Haus zu Haus

Immer

Dein

Paul Rottenburg

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.11.1892
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31475
ID
31475