Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 7. Oktober 1886

Glasgow 7 Oct 86. ‒

Liebster Freund!

Ich glaube ich habe Dir im Juni aus Berlin nur telegrafisch für Deinen herzlichen Brief und Einladung gedankt und habe heute dem schriftlichen Danka noch den für Karte von Vater und Sohn vom Niederwald Denkmal hinzuzufügen. Verzeih mir die arge Verspätung. – Nach der Melodie „wenn der Vater mit dem Sohne“ habe ich meinen Aeltesten im September mit nach London genommen, ihm die Ausstellung gezeigt und 3 Tage auf der Insel Wight das Bewußtsein gewonnen daß es Sommer gewesen ist. – Die Ausstellung hätte Dich sehr interessirt – sie schlägt Alles bisher Dagewesene und spart Einem eine Reise nach Indien, Australien, Canada und den Colonien. Ich wohnte in London in lodgings, die mein Bruder mehrere Jahre benutzt hat, und als „die Miteinwohner sich über den Namen Haeckel die Hand reichten“ da entpuppte sich Einer derselben als ein persönlicher Freund von Dir ein Assessor Eschcke, Sohn des Berliner Malers. Er arbeitet in London auf dem Consulat. – Die Welt ist doch minder groß als man glaubt. – Er ist ein sehr liebenswürdiger bescheidener Mensch. – Warst Du je auf der Insel Wight? Mir imponirt sie ungemein da sie mir die Tropen ersetzen muß. – England reizt Dich || leider sowenig, daß ich fürchte der Wunsch Euch hier, in London oder Insel Wight zu haben muß unter die „Frommen“ gezählt werden. – Ich hatte dann einige Tage mit unserem Bruder zusammen, dessen Familie seit 3 Monaten in London. Er hat eine interessante Zeit in Kissingen, Gastein und Franzensbad verlebt. – Leider kann ich armes Menschenkind mich vom Geschäft nicht ganz frei machen und lebe mehr und minder in einer ewigen Hetze. – Meine Frau blieb zurück, da uns die Jungens zu wild sind und eine Deutsche die wir bei ihnen haben zu dumm. Ich kam vor 10 Tagen zurück und vor 8 Tagen hat sich dann meine Frau auf die Reise gegeben zu ihrer Mutter nach Danzig. –

Ich bin einmal ein Pechvogel – hatte mir im Juni alles zurechtgelegt wenigstens auf ein paar Stunden anzuspritzen. – Bumbs – werde ich in Berlin solange zurückgehalten daß [ich] schnurstracks nach London reisen mußte. Es war zu schändlich. –

Hoffentlich hast Du Deine Sommerfrische genossen und Ihr geht alle „kannibalisch wohl“ in den Winter hinein. –

Einlage hätte ich Dir vor 3½ Monaten senden sollen. Zerreiße, bitte, den Brief und vergieb mir meine Schuld. Es thut mir nur leid || Dich unnütz belästigt zu haben. –

Meine zwei jüngsten Jungen gehen gegenwärtig in einem Museum auf, welches sie angelegt haben. – Neulich sagte der eine: „Ja wenn der Julius Caesar doch wieder zum Leben erweckt werden koennte zu mir käme seine Hand in seine Hosentasche steckte und sagte „Hier Jungens ist eine römische Münze für Euer Museum.““ – Der nächste Wunsch war Adam und Eva; und deren Kleider fürs Museum zu erwerben. – Wie kommt Dein Walter voran und zeigt er bereits entschiedene Indication für einen Beruf? –

Murray war, wie ich höre, mit seiner Arche Noah mehremale in der Clyde – aber hat mich nie besucht, der schlechte Mensch – Ob er mir irgend Etwas übel genommen hat! Ich möchte wissen Was – es thäte mir leid. –

Mit herzlichsten Grüßen an Deine Frau und Deine Kinder

In steter dankbarer Liebe

Dein

Paul Rottenburg

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
07.10.1886
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31408
ID
31408