Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 6. Januar 1884
Holmhurst,
Dowanhill Gardens,
Glasgow.
6 Jan. 84.
Liebster Haeckel,
Ueber Deine zwei herzlichen Briefe vom 10t October und 21 December und daß Euch der Teppich wirklich gefallen hat habe ich mich riesig gefreut. Tausend Dank dafür wie für die zu Weihnachten gesandten Bücher, die mich unter dem Christbaum erfreuten. Ich hätte Dir bereits früher gedankt – habe aber seit gleich nach Weihnachten auf dem Rücken gelegen. Mein Arzt hat mich seit einiger Zeit auf Leber || behandelt und legte das Erscheinen von Geschwüren, die wir „boils“ nennen, als günstiges Zeichen aus. Diese boils haben sich schließlich auf einem sehr empfindlichen Theil, (Scrotum) gewiß durch Herumgehen, – zuletzt war es nur noch ein Kriechen – in einen infamen Abszeß verwandelt, der mir viele Schmerzen verursacht hat. Der Trost ist daß ich damit weitere boils los sein soll. – Seit 2 Tagen bin ich wieder auf. Das Wetter ist aber || auch sehr ungesund warm und ich höre von Boils an allen Ecken und Enden. Die Familie ist Gottlob wohl auf und hat die Weihnachtsfreude sehr genossen. –
Walter schrieb mir aus Erfurt vor 2 Monaten; es freut mich zu hören daß Du mit der Veränderung zufrieden bist. –
Einliegend ein Ausschnitt über eine Vorlesung von Freund Murray – ich habe seit ich ihn im Sommer in Edinburgh aufsuchte nichts von ihm gehört. – ||
Ich hätte Dich gerne in Glasgow gehabt um Vorlesungen über Astronomie anzuhören; – so etwas wäre in Deutschland denn doch unmöglich. Blumenlese aus den Bernstein’schen Volksbüchern fricassirt mit einigen lokalen Witzen und kurzen Stücken aus Predigten – ein unglaubliches Fricassé, welches aber die Schotten in Extase von Entzücken versetzte. –
Dir und Deiner Frau wie den Kindern die allerbesten Wünsche für 84 von uns Allen hoffentlich sehen wir uns im neuen Jahr wieder
In alter Liebe
Dein
Paul Rottenburg