Keller, Conrad

Conrad Keller an Ernst Haeckel, Zürich, 9. Februar 1878

Zürich, dℓ. 9. Febr. 1878.

Hochverehrter Herr Professor!

Gleichzeitig mit diesen Zeilen sende ich Ihnen unter Kreuzband eine Kleinigkeit in der Neuen Zürcher Zeitung, eines der bedeutendsten Journale der Schweiz, die Sie vielleicht interessirt. Es ist nämlich sehr eigenthümlich, wie auf einmal die Parole unter hiesiger Geistlichkeit ausgetheilt ist, gegen den Strom der modernen naturwissenschaftlichen Bestrebung anzukämpfen. Die Herren halten öffentliche Vorträge, lesen schnell Ihre Schöpfungsgeschichte, dazu einige Gegenschriften u. treten mit einer gewissen Anmaßung auf, um zu widerlegen was nicht in den Kram paßt. Seit Ihrer Münchener Redea wird systematisch in Anti-Haeckelismus gemacht. Ich habe es als zeitgemäß gefunden, mit Aufwand von etwelcher Diplomatie öffentlich einen Bengel dazwischen zu werfen. Es ist das so ein kleines Privatvergnügen. ||

Die Publication meiner Arbeit hat sich leider etwas verzögert. Sie erscheint im 4.Heft der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie u. bekomme ich die Correctur in einigen Wochen. Damit habe ich auch einfach eine sachliche, aber entschiedene, wenn auch ganz ruhige Erwiederung an Oscar Schmidt abgehen lassen. Immerhin musste ich ihn darauf aufmerksam machen, mich nicht ganz verkehrt zu citiren. Auch werde ich ihm nachwerfen, daß seine Beobachtungen die meinigen nicht im Mindesten widerlegen. Sodann werde ich neue Beweismittel für die Richtigkeit der von Ihnen aufgestellten Homologie des Canalwerkes der Spongien mit dem coelenterischen Apparat der übrigen Zoophyten bringen. Von Interesse ist es Ihnen vielleicht, zu vernehmen, daß eine Reihe von Kieselschwämmen amylumhaltige Zellen besitzen. Mich hat dieser Fund überrascht u. habe ich ihn unserm hiesigen Botaniker, Prof. Cramer demonstrirt. Diese Zellen sind jedoch nur zeitweise häufig, auch nur an größern Schwammcomplexen. ||

Sie wissen vielleicht bereits, daß Hermann Fol vom Genfer Staatsrath als Prof. für Embryologie an die Universität Genf berufen ist, nachdem er bereits im Begriff war, einem Ruf an die Universität Neapel zu folgen. Fol hat Glück, indem unsere schweizerischen Behörden erst dann einigermaßen Eilfertigkeit zeigen, wenn von Außen her etwas geschieht. Wie ich von Carl Vogt, der jüngst in Zürich war, erfahren, scheint übrigens das Einvernehmen zwischen beiden Herren nicht das beste zu sein.

Indem ich in alter Ergebenheit verharre, grüße ich Sie recht sehr und bitte, auch die Herrn Collegen Hertwig u. Teuscher, falls Sie in Jena anwesend sind, zu grüßen.

Verehrungsvollst

Ihr

Dr. C.Keller

a irrtüml.: rede

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
09.02.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31271
ID
31271