Conrad Keller an Ernst Haeckel, Zürich, 24. August 1876
Zürich, dℓ. 24. Aug. 76.
Hochverehrter Herr Professor!
Es thut mir leid, Sie so oft in Anspruch nehmen zu müssen, aber ich sehe mich gezwungen, Sie in Spongienangelegenheiten noch einmal anzufragen.
Ich komme eben von der Versammlung schweizerischer Naturforscher in Basel zurück, u. hatte Gelegenheit, daselbst mit Oscar Schmidt u. Theodor Sieboldt mündlich zu verkehren. Beide Herren theilten mir mit, daß eine größere Abhandlung über Spongien von einem Franzosen, Barrois oder so ein ähnlicher Name erschienen sei. Ich konnte von den Herren leider nichts genaures erfahren, woa die Arbeit zu beziehen sei. Was mir aus der Arbeit mitgetheilt, klingt mir ganz sonderbar. Die Arbeit ist Ihnen || wohl zu Gesicht gekommen u. wenn Sie mir mittheilen können, in welchem Verlage die Arbeit erschienen ist, so würde ich Ihnen sehr dankbar sein. Wegen dem Aufsatze von Metschnikoff habe ich ohnehin mein Manuscript theilweise umarbeiten u. erweitern müssen u. will, wenn möglich auch diese Arbeit berücksichtigen.
Oscar Schmidt war etwas überrascht von meinen Resultaten, nachdem ich einläßlich mit ihm darüber sprach, gab er mir zwar unter der Hand zu, daß es mit der Gastrula vielleicht seine Richtigkeit haben könne, doch will er gerade wegen den Angaben des erwähnten Franzosen mit einem Entscheid noch abwarten. Immerhin sind wir in der zoologischen Section, wo ich meine Sache vorbrachte, doch etwas näher gekommen. ||
Diese neue Arbeit, sowie Metschnikoff wollen auch wieder den dreischichtigen Bau vertreten.
Ich habe mich veranlaßt gesehen, auch meine Kieselspongien noch genauer zu prüfen u. muß denn doch an das histologische Gewissen der Zoologen appelliren. Ich hoffe den Beweis hinlänglich führen zu können, daß ein Plattenepithel nur einmal nicht existirt.
Die Herren Heim u. Moesch senden Ihnen die besten Grüße u. konnten leider nicht nach Jena kommen, da die schweizerische Versammlung gleichzeitig in Basel tagte. Mit Vergnügen theile ich Ihnen noch mit, daß trotz aller Operationen ich auch vom schweizerischen Schulrathe für landwirthschaftliche Zoologie am Polytechnikum gewählt wurde, was prinzipiell für mich nicht unwichtig ist.
Mit freundlichsten Grüßen verbleibe ich verehrungsvollst
Ihr ergebenster
C.Keller
P.S. Es ist möglich, daß dieser Brief Sie nicht mehr in Jena antrifft, dann möchte ich Ihnen wegen der fraglichen Arbeit nicht länger Mühe machen.
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