Keller, Conrad

Conrad Keller an Ernst Haeckel, Zürich, 18. April 1876

Zürich, dℓ. 18. April 76

Hochverehrter Herr Professor!

Nach einem 5wöchentlichen Aufenthalt an der Küste zurückgekehrt, theile ich Ihnen gerne mit, daß ich die Spongienfrage so einläßlich als möglich geprüft u. über die Hauptpuncte mit Bezug auf die Ontogenie wenigstens bei Calcispongien ins Reine gekommen bin.

Ich glaubte diese Frage um so mehr an die Hand nehmen zu müssen, als Oscar Schmidt im „Ausland“ der Arbeit von FranzEilhardSchultze gegenüber seine Beobachtungen aufrecht erhält, Ihre embryologischen Angaben in den Kalkschwämmen zum Theil negirt u. namentlich die Gasträatheorie verwirft. Ich hoffe nun, in diese fortwährenden Controversen bezüglich der Existenz oder Nichtexistenz der Gastrula der Spongien in kurzer Zeit ein feststehendes Resultat bringen zu können.

Ich wandte mich zunächst nach Neapel wo ich Dr. v.Koch traf, fand aber || bei aller Reichhaltigkeit des Golfes doch nicht den gewünschten Spongienreichthum; wandte mich nach Savona, dessen Spongienfauna mir bekannt war.

Die Entwicklung konnte ich bei Sycandra raphanus, Leucandra aspera u. zum Teil auch bei Ascetta verfolgen. Die Gastrulabildung läßt sich namentlich bei Sycandra raphanus gar nicht schöner u. klarer denken, bei Leucandra u. Ascetta konnte ich sie ebenfalls verfolgen, dagegen möchte ich die histologischen Anschauungen Schultzes, sofern sie das Plattenepithel betreffen, stark in Zweifel ziehen. Die Silbermethode ist oft trügerisch u. bis jetzt habe ich es nicht auffinden können, trotz sehr guter Hülfsmittel. Ich werde übrigens diesen prinzipiell wichtigen Punct noch mit aller Sorgfalt verfolgen. Dr.Koch theilt mir freundlich mit, an Halisarca Cuticularbildung beobachtet zu haben, allein das involvirt noch keinen 3schichtigen Bau u. ist bei dem Mangel an Scelettbildung wohl nur eine Anpassung des Exoderms. || Sowie mein Material durchgearbeitet ist, gedenke ich die Resultate möglichst bald zu veröffentlichen.

Im Uebrigen kann ich Ihnen noch die erfreuliche Mittheilung machen, daß ich an unsern höhern Lehranstalten bereits festen Fuß fassen kann. Es ist eine Stelle für Landwirthschaftliche Zoologie am Eidgenössischen Polytechnikum und kombiniert mit der Zoologie an der Veterinärschule vacant geworden. An letzterer ist meine Wahl bereits erfolgt, am Polytechnikum mir die Stelle in sichere Aussicht gestellt u. kann ich mich jedenfalls auf den Präsidenten des eidgenössischen Schulrathes verlassen. Frey wird darüber natürlich wüthend werden!

Indem ich Sie freundlichst grüße, verbleibe ich mit der alten Verehrung u. Hochachtung

Ihr ergebenster

C.Keller.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.04.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31264
ID
31264