Schenk, August

August Schenk an Ernst Haeckel, Würzburg, 20. März 1863

Würzburg den 20sten März 1863.

Verehrter Freund!

Ihr Brief und Ihre Photographie haben uns sehr erfreut und danken wir Ihnen herzlich für Ihre freundliche Mittheilung. Nicht weniger war uns erfreulich direkt von Ihnen zu hören, wie sehr Ihnen die neuen Verhältniße behagen und was den nervus rerum betrifft, so geht das gewöhnlich anfangs viel leichter als später. Wenigstens wundern wir uns jetzt oft darüber, wie es uns möglich war, am Anfang mit der Hälfte von dem auszukommen, was wir jetzt brauchen. Gegenbaur habe ich hier ambulando als er von seiner Trauung aus der Kirche kam, gesehen, aber natürlich nicht gesprochen.

Sie haben sich eine ziemliche Anzahl Collegien für ein Semester aufgeladen, und wie ich sehe betheiligen Sie Sich auch an der Anatomie. Wie ich höre, ist Claus in Marburg als Nachfolger Herolds vorgeschlagen; er wird indeß kaum dahin gehen, da man ihn hier festhalten will, und er selbst hier zu bleiben wünscht. Ob nun das erstere geschieht, läßt sich freilich nicht voraussagen. Sollte aber für Sie nicht Aussicht in Marburg sein? Claus hat hier als Lehrer keinen besonderen Erfolg bis jetzt gehabt, || hauptsächlich durch seine eigene Schuld, weil er glaubt, daß die Studenten sich um eine in 2 Semester getheilte Zoologie ebenso intereßiren, wie er. Das könnte er durchsetzen, wenn er allein wäre, aber wenn noch einer Zoologie im Ganzen in einem Semester liest, so ist das Entgegengesetze einfach nicht durchführbar, wenigstens nicht mit 30–40 Zuhörern, wie er es will. 2 las er in diesem Winter nicht, da er für Zoologie der Wirbelthiere nur 6 Zuhörer bekam. Die erledigte Professur für Mineralogie ist jetzt durch Prof. Sandberger aus Carlsruhe besetzt; dieser [wird] jedoch erst im kommenden Wintersemester hier auftreten. Bis dahin werden wahrscheinlich noch genug neue Berufungen stattgefunden haben, sämmtlich Protestanten und Norddeutsche, ein Element, was für Würzburg höchst nothwendig ist.

Ziemssen ist für Erlangen vorgeschlagen und es ist sehr wahrscheinlich, daß der Vorschlag genehmigt wird. Gerhardt war ebenfalls im Vorschlag, ich habe aber nicht erfahren, ob Gerhardt selbst Ursache ist, daß er allein vorgeschlagen wurde oder ob Auswärtige ihn empfohlen, auch diesmal durch ihre Empfehlung ihm mehr geschadet, als genützt haben.

Was Ihren Wunsch wegen Farnen für Hofrath Schleicher betrifft, so bin ich sehr gerne erbötig zu senden, was wir haben. Aus dem mitgetheilten Verzeichniße werden wir 7–8 Arten abgeben können. Ich will indeß || Herrn Hofrath Schleicher ein Verzeichniß unserer sämmtlichen Kalthausfarne, vielleicht findet er darunter noch einiges, was ihm angenehm ist. Jedoch machen wir die Versendungen erst Anfang August, da wir jetzt zu viel mit Ansaaten zu thun haben. Wünscht Herr Hofrath Schleicher noch andere Pflanzen außer Farnen, so will ich ihm unsere beiden zuletzt ausgegebenen Verzeichniße senden. Wir tauschen nur, da der Verkauf verboten ist. Farne sind mir sehr erwünscht, Herr Hofrath Schleicher könnte diese also ganz gut anbieten.

Sie fragen nach Bello. Das arme Thier ist todt, und zwar auf eine niederträchtige Weise, entweder in Folge einer Vergiftung oder einer höchst abgeschmackten Parthie nach Guttenberg, wohin es uns begleitete. Die letzten Stunden waren wirklich rührend, er wollte sich nicht von mir trennen und bot alles, was er noch an Kraft besaß auf, um noch a in mein Zimmer zu kommen; dort legte er seinen Kopf auf meine Füße und sah mich von Zeit zu Zeit so wehmüthig an und lekte mir die Hand, bis er nach zwei Stunden die letzten Athemzüge that. Vor wenigen Tagen wurde mir ein junger Fuchs, der so zahm war, daß er mich überall hinbegleitete, erschoßen. Ich halte jetzt keine Thiere mehr, da ich sie bei ihrem Verluste zu sehr vermiße.

Herzlich würde es uns freuen, wenn Sie einmal hieher kommen würden, da wir kaum in den Ferien b Sie in Jena finden werden. Es ist nicht unmöglich, daß wir in diesem Herbst nach Thüringen gehen, indeß habe ich in keiner Weise einen bestimmten Plan noch gefaßt. Auf der anderen Seite habe ich eine sehr lebhafte Aufforderung || nach Steyermark zu kommen, erhalten. Wir werden also sehen, was da kömmt. Im Ganzen ist hier wesentlich nichts geändert, seit Virchow nicht mehr hier ist, mit welchem das belebende Element der Universität verschwand. In der Facultät hat jetzt das Haus Östreich alle Macht und dies ist so verständlich, daß ich nichts weiter zu sagen brauche. Die Zersplitterung ist größer als je, da die Rektors- und Senatswahlen jedes Jahr einen neuen Zankapfel in die Gesellschaft werfen, so daß an kein Zusammenleben zu denken ist. Ich habe mich von allem zurückgezogen und mich in dem botanischen Garten eingekapselt.

Von meiner Frau und mir die herzlichsten Grüße an Ihre verehrte Frau und Sie. Wenn Sie an Ihre Eltern schreiben, wollen Sie uns denselben empfehlen.

Mit unvermindert freundschaftlicher Gesinnung

Ihr

ergebenster

Schenk

a b gestr.: oh; b gestr.: h

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
20.03.1863
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31163
ID
31163