August Schenk an Ernst Haeckel, Würzburg, 18. Oktober 1858

Würzburg den 18ten October | 1858.

Verehrter Freund!

Die während unserer Abwesenheit hier eingetroffene Nachricht Ihrer Verlobung hat uns, als wir sie bei unserer vor drei Tagen erfolgten Rückkehr fanden, nicht wenig überrascht und erfreut. Vorläufig haben also die Pläne nach tropischen Ländern zu reisen kaum Aussicht auf Verwirklichung, und müßen die sämmtlichen Naturwunder von Ihnen unerforscht bleiben. Diesen Tausch können Sie unter den gegenwärtigen Umständen sehr recht sicha gefallen laßen, doch wünschte ich, wir hätten Sie und Ihre liebe Braut in unsrer Mitte, daß wir uns Ihres Glückes gemeinschaftlich freuen könnten.

Sehr erfreut hat mich Ihr Plan sich der Zoologie zu widmen. Sie reüssiren ohne Zweifel, da es uns an jungen tüchtigen Zoologen fehlt, und es Zeit ist, daß der ältern Zoologie gründlich zu Leibe gegangen wird. Es wäre die Frage, ob Sie beÿ Ihrem Plan nicht Würzburg ins Auge faßen sollten, in unsrer Fakultät, Sie wißen ich zähle jetzt zu den Philosophen, werden wir einen zoologischen Freiwilligen mit offenen Armen aufnehmen. Ziehen Sie dies in Erwägung, der Erfolg hier kann Ihnen unmöglich fehlen. Gegenbaur und Leydig sind für uns auf immer verloren und vorläufig können wir es nur beÿm Alten laßen.

Meine Frau und ich haben den Herbst zum Theil im Salzburgischen, zum Theil in München zugebracht, außerdem war ich noch drei Wochen in der Schweiz, die ich || nun ebenfalls ihrer ganzen Ausdehnung nach kenne. Für den nächsten Herbst habe ich mir fest eine Reise nach Norddeutschland festgesetzt, b ein Unternehmen, welches ich lange vor hatte, ohne es aber auszuführen, da stets der Wunsch die Alpen zu sehen, überwog. Mir war nahmentlich der Aufenthalt im Salzburgischen beÿm herrlichsten Wetter und dem Zusammentreffen mit sehr liebenswürdigen Reisegenoßen und die Art des Reisens in dem kleinen Einspänner eine sehr angenehmer. In München haben wir an der Freude der Münchner 7 Jahrhunderte lang die ersten Bierbrauer gewesen zu seÿn, uns ergötzt, und jedoch mit Maß auch Theil an der Freude genommen.

Da Sie wohl einiges Intereße an der Gründung des neuen botanischen Gartens nehmen, so theile ich Ihnen mit, daß derselbe endlich seiner Vollendung entgegengeht, und hoffentlich in diesem Herbste noch ganz vollendet werden wird. Ein Theil der neuen Glashäuser ist bereits bezogen, ein andrer der Vollendung nahe, die noch nicht vollendete Hälfte des Gartens ist ebenfalls in Arbeit begriffen. Gehen Sie über hier nach Italien, so wird wohl alles vollendet seÿn.

Ihren Eltern und Ihrem Bruder unsere herzlichsten Grüße. Geben Sie uns recht bald Gelegenheit Sie mit Ihrer Frau zu sehen.

Mit unvermindert freundlicher Gesinnung

Ihr

ergebenster

Schenk

a eingef.: sich; b gestr.: erst

Brief Metadaten

ID
31160
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Datierung
18.10.1858
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31160
Zitiervorlage
Schenk, August an Haeckel, Ernst; Würzburg; 18.10.1858; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_31160