Hertwig, Richard

Richard Hertwig an Ernst Haeckel, München, 1. Dezember 1894

Münchena 1 December 1894.

Lieber und hochverehrter Freund!

Soeben trifft Brief und Packet ein. Ich werde die beigepackten Exemplare an die angegeben Adressen besorgen. Für mein Exemplar sage ich Ihnen besten Dank. Ich habe es für das Institut angeschafft, bin aber noch nicht dazu gekommen es zu lesen, da ich in diesem Winter viel zu thun habe. Ganztägig arbeiten 15 Herren, im zoologischen Curs 37. Ich werde später, wenn ich das Buch gelesen habe, Ihnen noch einmal schreiben.

Wenn ich heute sofort schreibe, hat es || seinem Grund in dem frohen Familienereigniß, welche mir in Ihrem Brief mitgetheilt wird. Es drängt mich, Ihnen und Ihrer lieben Frau meine herzlichsten Glückwünsche auszusprechen. Wie groß muß Ihr Glücksgefühl sein, wenn das junge schöne Paar den Großeltern ihr Enkelchen zeigt!

Mit dem Befinden meiner Frau bin ich leider nicht so zufrieden, wie damals, als ich Ihnen den Entschluß mittheilte, sie in Davos zu lassen. Trotz guten Wetters hustet sie mehr als vor 2 Monaten. Ich bin daher zum Resultat gekommen, daß die kalte Luft ihr nicht gut thut. Sie wird daher nach Weihnachten an einen Ort der || Riviera übersiedeln. Dr. Turban in Davos meint, die Lungenerkrankung sei ausgeheilt, es läge nur noch Bronchiektasie vor. Vielleicht ist das der Grund, daß Davos dieses Mal gar nicht die guten Wirkungen ausübt wie früher.

Sollte sich der Zustand in der Riviera bessern, dann ist es sehr wahrscheinlich, daß ich mit meiner ganzen Familie nächsten Winter nach Teneriffa gehe. Ich bereite jetzt mich in so fern vor, als ich alle angefangenen Untersuchungen zum Abschluß bringe und aufarbeite.

Wenn Walter nach München kommt, werde ich mich über seinen Besuch recht freuen. Mein ältester Bub || gleichen Namens ist seit dem October b in die ABC Schule eingetreten. Er ist ein ungeheuer gewissenhafter fleißiger Schüler.

Gleichzeitig schicke ich Ihnen etwas zur Erheiterung, die Augsburger Postzeitung unter Kreuzband. Zur Erläuterung füge ich hinzu, daß die Ultramontanen wüthend sind, weil ein altkatholischer Professor der Theologie, Langen in Bonn, correspondirendes Mitglied der Academie geworden ist.

Herzlichst grüßt Sie und die Ihren

Ihr treu ergebener

R. Hertwig.

a von Haeckel gestr.: Jena d., von Haeckel eingef.: München; b gestr.: auch

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
01.12.1894
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30487
ID
30487