Hertwig, Richard

Richard Hertwig an Ernst Haeckel, Messina, 27. – 30. März 1877

Messina den 27ten März 1877

Sehr geehrter Herr Professor!

Ihr Brief vom 12tn hat uns sehr überrascht. Wir glaubten Sie im lieben Kloster Lesina bei unserem wackeren Padre und waren daher sehr verwundert über den aus Corfu ankommenden Brief. Einen schlechten Tausch haben Sie wohl nicht gemacht; nach Allem, was ich gelesen habe, muß Corfu sehr schön sein.

Einige Tage später trafen von Dufft Correcturbogen ein, noch bevor ich Ihrem Rathe gefolgt war und einen Mahnbrief abgesandt hatte. Es fehlt nur noch der 3te (halbe) Correcturbogen mit dem Schluß der Arbeit. Derselbe wird hoffentlich auch noch von hier aus von mir absolvirt werden können.

Mit dem Wetter waren wir die letzten 10 Tage recht unzufrieden. Zwar schien meistens die Sonne, so daß es zum Spazierengehen nicht übel gewesen wäre, allein dabei wehte meist ein so heftiger Scirrocco, daß mit der pelagischen Fischerei auch gar nichts gefördert wurde. Es sind die schlechtesten Ausfahrten während unseres Aufenthaltes gewesen. Es war als || ob der Hafen wir ausgefegt wäre. Selbst die sonst in großen Schwärmen vertretene Pelagia war nicht zu finden. Sie werden wohl bei der Strandfischerei weniger davon betroffen worden sein und werden sich wohl gefreut haben, daß das schlimme Regenwetter sein Ende gefunden hatte.

Mit Fol sind wir in der letzten Zeit einige Male zusammen gewesen, ohne daß derselbe jedoch auf seine gegen Sie gerichteten Angriffe zu sprechen gekommen wäre. Erst durch Ihren Brief haben wir von der Sache erfahren und haben wir darauf die Arbeit durchgelesen. Die Form des Angriffs hat uns sehr missfallen, ganz besonders finden wir das Naturaliste prussia tactlos, wenn es, wie den Anschein hat, mit Absicht gebraucht sein sollte. Fol arbeitet ebenfalls über Entwicklung und Befruchtung. Es ist für Oscar recht unerquicklich.

Unsere Abreise haben wir auf nächsten Mittwoch festgesetzt. Wir werden noch eine 10tägige Tour nach Sicilien dann machen: Taormina Catania Syracus Girgenti Palermo. Von Palermo aus haben wir in Absicht, mit dem Dampfer direct nach || Livorno zu fahren, wo wir Sonntag in 14 Tagen einzutreffen gedenken. Unseren Rückweg werden wir über den Brenner nehmen und nur in Pisa und Innsbruck einen halbtägigen Aufenthalt machen. Ungefähr vom 18t April werden wir in Mühlhausen, am 25ten in Jena eintreffen. Sie werden wohl auch nicht viel später daselbst anlangen. Bis dahin wünschen wir Ihnen gutes Wetter und reiche Ausbeute.

Fürbringer hat uns heute mit seiner Verlobungsanzeige überrascht. Seine Braut ist ein Fräulein Bassermann, eine Mannheimerin.

Hier in Messina ist die letzte Zeit über viel geselliges Leben gewesen. Obwohl wir uns möglichst reservirt haben, sind wir seit Weihnachten gleichwohl in Verlegenheit gekommen, 4mal tanzen zu müssen. Zweimal waren es solenne Bälle, zweimal Gelegenheitstänzereien.

Der Herr Jäger ist vor einiger Zeit von England zurückgekehrt, aber nach wenigen Tagen schon wieder nach Girgenti abgereist, so daß wir seine Bekanntschaft nicht gemacht haben. Er ist mit || großen Summen als Gläubiger bei einem Bankrot eines Sicilianer Grafen betheiligt. Letzterer besitzt große Schwefelminen bei Girgenti und hängt Alles davon ab einen guten Preis für die Minen zu erzielen. Jäger ist daher sehr bemüht eine Actiengesellschaft englischer Actionäre zu Stande zu bekommen. Bis jetzt lauten die Nachrichten sehr verschieden, in wie fern ihm dies geglückt sei.

den 30ten März.

Heute habe ich den letzten Correcturbogen von Dufft erhalten. Gleichzeitig kam auch ein Brief von Bütschli an Oscar an. In demselben nimmt B. in Beantwortung der Zusendung von Oscar’s letzter Arbeit den in derselben vertretenen Standpunkt vollständig an. Bütschli’s Benehmen in der Angelegenheit ist aller Ehre werth.

Herzlichste Grüße von Oscar und

Ihrem

treu ergebenen

Richard Hertwig.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.03.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30442
ID
30442