Richard Hertwig an Ernst Haeckel, Mühlhausen, 2. September 1873

Mühlhausen den 2ten September 73

Hochverehrter Herr Professor.

In einem seiner letzten Briefe theilte mir Oskar mit, daß Sie Ende August oder Anfang September von Ihrer Tyroler Reise zurückkehren werden. Ich habe daher Hoffnung, daß meine Zeilen Sie in Jena wieder antreffen werden.

Im Laufe des Septembers habe ich in Absicht auf einige Tage nach Jena zu kommen. Es giebt so Vielerlei, was ich mit Ihnen besprechen und worüber ich Sie um Ihren Rath bitten möchte. Meine Arbeit über die Süßwasserrhizopoden || ist noch nicht zum Abdruck gekommen. Ich suche noch immer nach neuen Arten, um einen besseren Überblick über die Classe zu gewinnen. Gleichzeitig bin ich bemüht die Lücken in der Beobachtung der bekannten Spezies auszufüllen. Das Verhältniß der Süßwasserrhizopoden zu den Radiolarien und Polythalamien ist mir im Lauf der Untersuchung ziemlich klar geworden. Bevor ich jedoch zur Ausarbeitung schreite, möchte ich gern Ihre Ansichten hören. Ich lege großen Werth darauf, mich mit Ihnen in Übereinstimmung zu befinden, da a Sie selbst so Vielb sich mit den einschlagenden Fragen beschäftigt haben. Die Literatur ist so reich an Versuchen einer Classification || der Rhizopoden, daß man bei einer etwas ausführlicherenc Arbeit diesen Punkt nicht unberührt lassen kann. Anderenseits erschwert die im Verhältniß zur geringen Zahl der Arten und Gattungen große Mannigfaltigkeit in der Organisation bedeutend den Überblick. So werde ich gezwungen mich auf died verwandtschaftlichen Verhältnisse der 3 Classen einzulassen, während die Schwierigkeit der Frage zur Vorsicht mahnt.

Abgesehen von meiner Arbeit interessirt es Sie Vielleicht Dies und Jenes über Bonner Verhältnisse zu hören über mein Verhältniß zu Schultze u.s.w.

Von Oskar habe ich recht gute Nach-||richt. Das Manoever, für den gemeinen Soldaten eine Strapaze, ist für ihn vielmehr eine Erholungsreise.

Am 18ten September werde ich nach Wiesbaden zur Naturforscherversammlung gehen, von da Ende des Monats nach Bonn zurückkehren.

Von meinen Eltern an Sie und Ihre werthe Familie beste Grüße.

Mit der Bitte mich Ihrer Frau Gemahlin und Herrn Prf. Gegenbaur, den ich hoffentlich noch in Jena antreffen werde, bestens zu empfehlen, grüße ich Sie herzlichst als

Ihr treu ergebener

Richard Hertwig.

Sollten Sie in der ersten Hälfte des September verreisen, so ersuche Sie freundlichst mir es mitzutheilen.e

a gestr.: wohl; b korr.: aus: viel; c korr. aus: ausführlicherern; d eingef.: die; e Text weiter am oberen Rand von S. 4: Sollten … mitzutheilen.

Brief Metadaten

ID
30438
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
02.09.1873
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 22,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30438
Zitiervorlage
Hertwig, Richard an Haeckel, Ernst; Mühlhausen; 02.09.1873; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_30438