Richard Hertwig an Ernst Haeckel, Mühlhausen, 29. Mai 1874
Mühlhausen i/Th. den 29ten
Mai 1874.
Hochverehrter Herr Professor!
Beiliegend übersende ich Ihnen den Rest von Oscars Manuscript. Oscar hatte mir dasselbe schon vor einigen Wochen zugehen lassen mit der Bitte, es nach der Durchsicht selbst nach Jena mitzunehmen. Da ich glaubte, der Druck habe noch nicht begonnen, habe ich die Ansendung verzögert, hoffe aber daß dadurch keine Störung im Druck hervorgerufen worden ist.
Wie Oscar mir kürzlich mittheilte, sind die Aussichten, daß Waldeyer nach Bonn kommen wird, sehr gering, da die Regierung von Elsass Lothringen ihn durchaus an Straßburg fesseln möchte. Für Schwalbe sind aus dem Grunde, weil er bedeutend jünger als La Valette || und sogar noch dazu ein Schüler desselben ist, die Chancen sehr ungünstig. Wenn nicht ganz außerordentliche Verhältnisse vorliegen, wird man es in Bonn wohl zu vermeiden suchen, La Valette in eine so delicate Situation zu versetzen. Die Entscheidung muß übrigens demnächst gefällt werden, wenn sich das leidige Interregnum nichta bis über den nächsten Winter hinaus verschleppen soll.
Über die Habilitation gedenke ich demnächst mündlich ausführlicher mit Ihnen zu sprechen. Mir selbst fehlt es an einer Habilitationsschrift und weiß ich wirklich nicht, wie ich noch bis zum Semesterschluß zur Fertigung einer Arbeit kommen könnte.
In der Hoffnung Sie im Laufe der zweiten Woche des Juni in Jena wohl anzutreffen, grüßt Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin
Ihr treu ergebener
Richard Hertwig.
a eingef.: nicht