Oscar Hertwig an Ernst Haeckel, Mühlhausen, 29. Dezember 1882
Mühlhausen 29.XII.82.
Sehr geehrter Herr College u. lieber Freund!
Am letzten Tage vor meiner Abreise habe ich mich noch recht dazu halten müssen, um mit allen Arbeiten fertig zu werden. Bis Nachts 2 Uhr hatte ich an den Correcturbogen meiner Arbeit zu lesen und früh musste ich um 7 Uhr wieder aufstehen, um meinen Koffer zu packen und in der Wohnung etwas Ordnung zu machen. Meine Arbeit ist 5 Druckbogen stark geworden mit 5 Tafeln. || Sie bildet den Schluss eines Doppelheftes unserer Zeitschrift, welches vom Verleger Fischer schon in dieser Woche verausgabt worden ist. Die Separatausgabe meiner Schrift wird wohl erst nach Neujahr fertig gestellt werden.
Die Weihnachtstage habe ich hier mit meinem Vater sehr still verlebt, fast ganz auf das Zimmer angewiesen, da das Wetter zum Spazierengehen nicht gerade einlud. Mit dem Bilde meiner Mutter, welches Sie gesehen haben, habe ich ihm ein liebes Weihnachtsgeschenk gemacht. Die Wiener Photographie wird von || allen unseren Verwandten als ausgezeichnet gefunden und für ähnlicher gehalten als selbst die kleine Originalphotographie, von welcher sie eine Vergrösserung ist. Das wird daher rühren, weil das Original nicht die Mitteltöne hat, welche der Wiener Photograph in so geschickter Weise ergänzt hat.
Richard hat sich noch zuletzt, zumal durch mich veranlasst, entschlossen, in Königsberg zu bleiben, obwohl er gern die Weihnachtstage mit uns verlebt hätte. In Bonn werden die Aussichten, berufen zu werden, für ihn als günstig beurtheilt, wie mir ein Bonner || Bekannter geschrieben hat. Man glaubt, dass Eilhard Schulze und Weismann ablehnen würden. Wenn sie es doch nur thäten! Ich will es Richard u. mir wünschen, dass er wieder nach Mitteleuropa kommt.
Indem ich Ihnen und Ihrer lieben Familie zum bevorstehenden Jahreswechsel meine herzlichen Glückwünsche darbringe, bleibe ich mit besten Grüssen
Ihr ganz ergebener
Oscar Hertwig.
Beste Grüsse u. Neujahrswünsche von meinem Vater!