Hertwig, Oscar

Oscar Hertwig an Ernst Haeckel, Jena, 4. Oktober 1880

Jena, den 4 October 1880.

Sehr geehrter Herr Professor!

Als ich von einer Reise in das obere Saalthal zurückgekehrt heute Ihre Frau Gemahlin aufsuchte, erfuhr ich durch dieselbe, daß Sie sich nach dem Stande der Neubesetzung der anatomischen Professur bei ihr erkundigt haben, und will ich Ihnen daher, was hierüber in Jena bekannt geworden ist, mittheilen. Von den Fakultätsmitgliedern wird die Sache sehr geheim gehalten, doch ist soviel sicher, daß schon Mitte September die medicinische Facultät Beschluß gefaßt hat, und daß vor || einer Woche die Entlassung von Schwalbe vom Ministerium genehmigt worden ist. Schwalbe wird indessen erst im März nach Königsberg übersiedeln und den Winter hier noch lesen.

Man erwartet, daß noch in dieser Woche das Fakultätsgutachten per Missive beim Senat circuliren wird. Doch ist dies bis jetzt, so viel ich weiß, noch nicht geschehen und wäre es möglich, daß sich die Angelegenheit bis zum officiellen Anfang des Semesters hinzieht.

Was den Inhalt des Fakultätsbeschlusses anlangt, so hat mir Schwalbe bei einer Unterredung zugegeben, daß ich keine Berücksichtigung erfahren habe, sondern daß nur Ordinarien kleinerer Universitäten || vorgeschlagen worden sind. Sie werden sich denken können, daß ich dem Verlauf der Berufung nicht gleichgültig entgegensehe. Ich bin entschlossen – und habe es auch Schwalbe und Müller im Gespräch gelegentlich erklärt – daß falls ich eine verletzende Zurücksetzung erfahre, ich es für ehrenvoller und nützlicher halte, meine Stelle in Jena niederzulegen.

Leider hörte ich, daß Schwalbe einen Ruf nach Königsberg erhalten und angenommen habe, in Mühlhausen erst zu einer Zeit, als der Fakultätsbeschluß schon gefaßt war.

In Halle ist die Neubesetzung der zweiten Professur auch noch nicht erledigt. Von der Fakultät ist einzig und allein Eberth, Professor der Pathologie in Zürich, der Regierung schon seit längerer || Zeit vorgeschlagen worden.

Wie ich durch Ihre Frau Gemahlin vernommen, gefällt es Ihnen in Genua recht gut und sind Sie mit dem Erfolg der Fischerei zufrieden. Ihnen weitere gute Ausbeute wünschend, bleibe ich mit besten Grüßen, auch von Richard

Ihr ganz ergebener

Oscar Hertwig.

Darüber daß ich Ihnen in den Jenenser Berufungsangelegenheiten geschrieben, bitte ich Sie zunächst nicht zu sprechen. Wenn ich die vorgeschlagenen Candidaten erfahre, werde ich sie Ihnen mittheilen.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.10.1880
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30379
ID
30379