Ernst Krause an Ernst Haeckel, Berlin, 19. November 1882

Berlin N. O. Friedenstr. 11.

d. 19.11.82.

Lieber Freund!

Daß Ihnen der biedere Francis einen Prozeß an den Hals hängen will, ist köstlich. Möchte er es doch thun! Die Familie würde sich damit so blamiren, die Angelegenheit selbst aber so allbekannt werden, daß die zehn Mark Strafe, die Sie dabei riskiren, gar nicht in Betracht kommen können. Den netten Herrn Du Bois-Reÿmond hat für seine Expektoration über Göthe, die nichts als eine indirekte Antwort auf Ihrer Eisenacher Rede sein sollte, die Nemesis schon ereilt. Eine gestern in der gelesensten Berliner Zeitung erschienene Kritik des Gebahrens dieses „großen Mannes“ ist so reizend, daß ich siea Ihnen zum Amüsement beilege. Dabei hält der Kritiker noch seine naturwissenschaftliche || Competenz aufrecht u. in Ehren, wenn er nun erst wüßte, wie es darum steht, wie müßte dann erst das Urtheil ausfallen!

Zacharias hat sich nicht enthalten können, noch einen dritten Bericht über die Eisenacher Versammlung in „Auf der Höhe“ loszulassen, die ich übrigens ebensowenig wie die andern zu Gesicht bekommen habe. Wie es nur solchen Menschen möglich ist, solche Wiederkäuereien immer noch in Druck zu bringen! Auch von den Börner’schen Elaboraten habe ich nichts gelesen, doch ist mir dieser unverschämte Skribent schon länger bekannt u. aufgefallen durch den frechen Ton seiner inhaltlosen Berichte. Als vor c. 2 Jahren Virchow plötzlich ein dringendes Bedürfniß fühlte, seine Berühmtheit überall auffrischen zu lassen, erschienen urplötzlich in allen Wochen- und Monatsschriften Biographien des „Mannes der wissenschaftlichen Vorsicht“, die seine Verdienste bis in den siebenten Himmel priesen. Fast || alle diese Biographien waren entweder von Isidor Caftan oder von Paul Börner – ist letzterer etwa auch ein Semit? – verfaßt, u. es war sehr komisch, daß die meisten dieser Biographien durch einen Zufall, alle an demselben Sonnabend ausgegeben wurden. Dabei ließ sich leicht erkennen, daß Paul u. Isidor offenbar ein u. dasselbe Concept vor Augen gehabt hatten. Esb ist sehr lustig, im Stillen solche Beobachtungen machen zu können.

Der „Kosmos“ scheint meinem Nachfolger recht viel Mühe zu machen, denn die Hefte erscheinen noch vierzehn Tage später als sonst. Auch will es mir wenig gefallen, daß Prof. Vetter solche Dinge wie Nordpol-Expeditionen, Ursprung des X der Mathematiker u. s. w. in den Kreis der Besprechungen zieht; meines Erachtens kann der „Kosmos“ nur durch Wahrung seines speziellen Gebietes überhaupt einen besondern Platz unter || den naturwissenschaftlichen Zeitschriften behaupten.

Es ist jammerschade, daß Ihr Ceÿlon-Buch soviel Schwierigkeiten wegen der Holzschnitte findet. Aber es ist auf dem Gebiete der Prachtwerke seit Jahren eine solche Überproduktion gewesen, daß die meisten schlecht gegangen sind, u. die Bedenklichkeiten der Verleger daraus erklärlich sind.

Mit meiner Gesundheit geht es recht klapprig, aber ich hoffe mich den Winter so durchzuschleppen, um dann im Frühjahr auf einige Monate nach dem Süden zu gehen.

Mit den herzlichsten Grüßen

Ihr

treu ergebener

Ernst Krause

a korr. aus: Sie; b korr. aus: ist

Brief Metadaten

ID
29474
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
19.11.1882
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
21,4 x 14,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29474
Zitiervorlage
Krause, Ernst an Haeckel, Ernst; Berlin; 19.11.1882; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_29474