Berlin N. O. Friedenstraße 11.
den 15.2.81.
Lieber Freund!
Zu Ihrem morgigen Geburtstage sende ich Ihnen die innigsten Wünsche für Wohlergehn u. die damit gegebene Arbeitslust u. Freude am Kampfe für Erkenntniß u. Wahrheit. Nichts könnte uns in Deutschland zur Zeit nützlicher sein, als wenn Sie wieder einmal ein offenes Wort reden wollten, denn die Reaktion bricht mächtig auch über die wissenschaftlichen Kreise herein, hier in Berlin vollends, wo man die Herren Virchow, DuBois-Reymond u. Bastian als Dalai-Lama-Dreieinigkeit verehrt, deren Koth man mit Wollust frißt. Auch in England geht eine neue Hetze gegen Darwin los, die an Bosheit alles frühere übertrifft. Durch einen leidigen Zufall hat er vergessen in der Vorrede der englischen Ausgabe von Erasmus Darwin zu konstatiren, daß mein Aufsatz vor der Übersetzung einige Zusätze u. Weglassungen erfahren hat, woraus man die ganz alberne, aber in unzähligen Zeitungsartikeln breitgetretene Anklage geschmiedet hat, es handle sich dabei um eine absichtliche Fälschung, die nur die Kette der Fälschungen fortsetzen soll, die er durch Verschweigung der Ansprüche seines Großvaters, Buffon’s, Lamarck’s u. s. w. begonnen habe. Sie haben wohl die Nummern der Nature (587 u. 588) gelesen, in denen das Thema verhandelt wurde? Sonst kann ich sie Ihnen schicken. Dennoch scheint es mir sehr gut, daß Darwin, das Buch über seinen Großvater selbst veröffentlicht hat, denn wenn diese „Enthüllungen“ ohne dies u. nach seinem Tode erst gemacht worden wären, hätten die Butler’s u. Consorten noch mehr anscheinenden Grund gehabt, über „Todschweigung u. Aneignung der Verdienste seiner Vorgänger“ zu schreien. Die || Angelegenheit ist ebenso albern als ärgerlich, aber sie zeigt wieder einmal, wessen sich ein Mann in einer Stellung, wie die Darwin’s oder der Ihrigen zu versehen hat, wenn er seinen Gegnern auch nur die allergeringste Handhabe bietet; in obigem Falle ein ganz bedeutungsloses Versehen! In diesen Tagen war Koch aus Stuttgart hier, u. sprach davon, daß er Sie auf der Rückreise aufsuchen wolle, um Ihre Ansicht über den „Kosmos“ zu hören u. Sie um Ihre Unterstützung zu bitten. Ich fürchte aber, das ungünstige Wetter wird ihn abgehalten haben, seine Absicht auszuführen. Besonders wollte er Sie drangsalen für das erste Heft, der neuen in seinem Verlage erscheinenden Serie einen Beitrag zu geben, u. bei der Ihnen kaum selbst genügend bekannten Verehrung, die Sie bei den Lesern des Kosmos genießen, würde das allerdings sehr wünschenswerth sein, weshalb ich selbst an Ihrem Geburtstage Sie nicht mit einer kräftigen Unterstützung dieser Bitte verschonen kann. Sie schrieben mir vor einiger Zeit, daß Sie uns eine Medusen-Studie gütigst geben wollten, und Sie würden mich sehr glücklich machen, wenn Sie diese Zusage noch vor Ende des Monats zur Wahrheit machen könnten, denn die Fertigstellung des Aprilheftes soll wegen des Versandes in größerer Auflage sehr früh geschehen. Die Angelegenheit mit Hellwald hat doch tiefere Gründe gehabt, als alle Betheiligten zugestehen wollen; er hat soeben die Redaktion des Auslands niedergelegt, u. da diese That sicher nicht über Nacht gereift ist, a kann man wohl annehmen, daß er bereit war, die des Kosmos dafür zu übernehmen. Ich habe Koch völlig reinen Wein eingeschenkt, über die Erwartungen, die er vom Kosmos hegen darf u. nicht, aber ich hoffe mehr als je, daß es mit der Zeit, wenn erst die Nachwehen von Jäger u. Caspari verwunden sind, ein solides u. geachtetes Journal werden soll. Caspari schrieb mir diese Tage, daß er Al-||berts verklagen wolle, weil er sich als Redakteur u. Miteigenthümer des Journals betrachtet, aber weder Honorar noch Entschädigung empfangen habe. Ich habe ihn gebeten, die Lächerlichkeit zu vermeiden, die einer solchen unsubstantiierten Klage anhaften würde, u. da er von Person sehr gutmüthig ist, wird er es denke ich auch so machen. Die neue Folge des Kosmos soll in Antiqua gedruckt werden u. allen belletristischen Anflug, mitsamt der phonetischen Schreibweise über Bord werfen.
In der zuversichtlichen Hoffnung, daß Sie mit der Zeit mehr u. mehr Freude daran erleben werden zeichne ich, mit den herzlichsten Grüßen
Ihr dankbarlich
ergebenster
Ernst Krause
a gestr.: hat