Krause, Ernst

Ernst Krause (Carus Sterne) an Ernst Haeckel, Berlin, 26. Juni 1877

Berlin N. O. Friedrichstraße 10. I.

den 26.6.77.

Lieber Freund!

Ich danke Ihnen tausendmal für Ihre freundlichen Zeilen vom 19t currentes u. werde mich in Allem nach Ihren guten Rathschlägen richten. Das Keilschrift-Manuscript mit den famosen Altersberechnungen habe ich bereits u. in höflichster Weise dem Herrn Lichthorn zurückgesendet. Sehr interessirt hat mich der Zacharias’sche Brief, den ich einstweilen Herrn Alberts mit Ihrer Erlaubniß zugestellt habe, damit er weiß, wo jederzeit ein Ersatz-Redacteur zu haben ist, wenn es mit mir nicht mehr gehen will. Es könnte einen Hund jammern, diesen Menschen winseln zu hören, u. ich hätte ihm mehr Selbstachtung zugetraut, als diese Elegien verrathen. Was im Übrigen die systematische Reklame betrifft, durch die Zacharias den Kosmos in die Höhe bringen wollte, so glaube ich erstens, daß er dazu nicht der Mann war, denn seine Anmaßung u. bodenlose Leichtfertigkeit hatte ihm schnell wieder das Vertrauen einiger Redaktionen, mit denen er in Verbindung getreten war, entzogen, u. außerdem halten es die meisten Redaktionen, an deren Spitze meistens alte eingewurzelte Idealisten stehen, für || Sünde ein darwinistisches a Buch oder gar Journal zu empfehlen. Ferner aber glaube ich auch, u. finde mich hierin im vollen Einverständnisse mit Alberts, daß das Publikum, welches den Kosmos hält, nur durch Gediegenheit u. Reichhaltigkeit, nicht aber durch Reklame anzuziehen ist. Wäre unser erstes Heft nicht durch die Übereilung, mit der es in die Welt gesetzt wurde, u. gegen welche ich mich mit allen Kräften gewehrt habe, u. durch die Langweiligkeit u. unpassende Manier der Caspari-Jäger u. Hellwald’schen Beiträge für dasselbe, so matt u. abstoßend ausgefallen, so hätten wir sicher gleich einen durchschlagenden Erfolg gehabt. Diese Mißverhältnisse, welche so weit gingen, daß ich von den Manuscripten des ersten Heftes nur den zweiten Jäger’schen Artikel zu sehen bekam, den ich sofort, aber vergeblich beanstandete, haben zu einem bitteren Meinungsaustausch zwischen Alberts u. mich [!] geführt, in welchem ich voraussagte, daß u. warum dieses Heft nicht einschlagen konnte. Die vielen Köche hatten aber den Brei gründlich verdorben. Man hätte sich einfach lächerlich gemacht, wenn man für dieses Heft noch hätte Reklame machen wollen. Gleichwohl ist der Erfolg noch immer ein solcher, daß die Buchhändler ihn in jetziger Zeit wie ein kleines Wunder anstaunen, denn wir hatten vor vier Wochen bereits 600 Abonnenten, also beinahe die Höhe, zu der es andre, wissenschaftliche Zeitschriften in langen Jahren zu bringen pflegen. Auch zweifle ich an einen [!] guten Fortgang nicht, wenn wir uns nur dem Publikum etwas || mehr accommodiren und die Langweiligkeit in Schranken halten. Gar lustig würde es sein, wenn Zacharias seinen Conkurrenzplan verwirklichen könnte, u. vielleicht die Herren C. Vogt, Semper, Schmidt u. s. w. gegen uns in’s Feld führte. Bis jetzt ist jedes Heft des Kosmos etwas besser ausgefallen, als das vorige, das zweite besser als das erste, das dritte besser als das zweite u. das vierte besser als das dritte. Da ist ja also noch nicht alle Aussicht geschwunden; Idealleistungen sind nicht mit einem Male zu erreichen.

Ihr köstlicher Beitrag über Bathybius wird, hoffe ich, gute Wirkung thun, u. die schon zweifelhaften Abonnenten im Ausharren stärken; Prof. Möbius wird in jedem Falle schmerzlich berührt werden. Sehr freue ich mich auf die Protisten, für welche Sie mir gütigst noch einige Cliché’s bezeichnen wollten. Herr Alberts schreibt mir, daß er nur einige wenige Holzstöcke an Sie gesandt habe, u. bitte ich Sie durch Herrn Giltsch, an welchen ich einige Zeilen direkt richten werde, b mit Angabe der Größe mehr verlangen zu lassen, wenn er mehr braucht. Ich werde ihm mit Ihrer gütigen Erlaubniß auch schreiben, daß er sich die Vorlagen für die Gasträaden von Ihnen ausbitten darf. Sie schreiben mir: Fig. 127, 128, 132 u. 133, sollen wir nicht auch 137 u. 141 hinzu nehmen? Im Voraus danke ich Ihnen vielmals für die vielfache Unterstützung, die Sie uns zu Theil werden lassen, die wir aber auch ohne Gefahr kaum entbehren könnten.

Wenn Zacharias andeutet, daß ich wohl gar nichts für den Kosmos thäte, so ist er sehr im Irrthum, ich plage mich alle Tage damit, während Jäger u. Caspary nichts thun, als ihren Beitrag einsenden, u. sich gar nicht einfallen lassen, geeignete Beiträge heranzuziehen. Und || von Caspari wünschte ich beinahe, er ließe auch das, denn seine Beiträge sind abstoßend langweilig. Hätte nur Prof. Fritz Schultze das philosophische Scepter übernommen, dann wären wir besser daran! Doch was nützen die Klagen u. Bedenklichkeiten, es heißt jetzt tapfer weiterzuarbeiten, wenn wir uns nicht lächerlich machen wollen.

Mit den herzlichsten Grüßen

Ihr

treu ergebenster

Ernst Krause

a gestr.: Journal; b gestr.: mehr ver

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.06.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29432
ID
29432