Krause, Ernst

Ernst Krause (Carus Sterne) an Ernst Haeckel, Berlin, 12. Dezember 1876

Berlin N. O. Friedenstraße 10. III.

den 12.12.76.

Hochverehrter Freund!

Ein dringendes Schreiben u. ein Telegramm von Herrn Alberts veranlaßt mich, vorläufig anzunehmen, nach dem ich noch einmal von meinem Arzte konstatiren ließ, daß nur ein hartnäckiger Katarrh nicht Tuberkelbildung vorliegt. Wenn ich sehe, daß ich der Sache gewachsen bin, u. daß das Unternehmen festen Boden gewinnt, so würde ich unbedingt Ihrem Vorschlage nach Jena überzusiedeln Folge leisten u. damit würde für mich eine Vita nuova beginnen. Zunächst darf ich meine festen Verbindungen mit der Gartenlaube und der Vossischen Zeitung, für die ich am meisten arbeite, nicht aufgeben, da mir Manches doch sehr unklar ist. Alberts schreibt mir, daß Herr Professor || Jäger der Redaktion des zoologischen Theiles übernommen habe; ich habe nun angefragt, ob es ebenso in Absicht liegt, botanische, philosophische u. ethnologische Fachredaktionen zu errichten, was mir a nach meinen literarischen Erfahrungen als ein großes Hinderniß erscheinen würde, den Fall ausgenommen, daß sich die Bezeichneten alle mit dem literarischen Redakteur an demselben Orte befänden u. nicht allzusehr disharmonirten. Sonst kann die Sache für den letzteren sehr schwierig u. sorgenvoll werden.

Haben Sie die Rede gelesen, die kürzlich Wallace von der naturwissenschaftlichen Gesellschaft, der er präsidirt, vom Stapel gelassen hat? Sie giebt neben den Dohrn’schen Bestrebungen schöne Anknüpfungspunkte, um in einem einführen Artikel, die Notwendigkeit darzuthun, daß sich Fortschrittsmänner der Naturwissenschaft zusammenthun, um den Rückschrittlern nicht gewonnen Spiel zu geben. Denn natürlich wird Wallace mit der ethnologischen Begründung des allgemeinen Sündenfalls der Natur bei den Pfaffen u. den artig erzogenen Kindern viel Glück machen.

Eines möchte ich Ihnen noch im || Interesse der Sache ans Herz legen; daß Sie Sich nämlich mit auf den Titel bringen ließen u. vielleicht Darwin b veranlassen, daß erc ohne sich im Geringsten zu etwas zu verpflichten, der Zeitschrift dieses Ornament ebenfallsd zu Gute kommen ließe. Es würde doch einen sehr schönen Effekt machen, wenn es heißen könnte z. B. unter Mitwirkung von Charles Darwin, Ernst Häckel, u. dann alphabetisch Caspary, v. Hellwald meinetwegen bis Zacharias herunter, falls es nicht angängig wäre den letzteren sich ganz vom Leibe zu halten. Dann würde die Zeitschrift gewonnen Spiel haben, aber freilich ist das nur ein frommer Wunsch, auf dessen Verwirklichung wohl nicht zu rechnen ist. Sie brauchen nicht zu glauben, daß es etwa meine Eitelkeit mich wünschen ließe, so mitten unter Jung-Europa zu stehen, denn Eitelkeit gehört glücklicherweise nicht zu meinen Erbsünden. Aber schön wäre es für die Zeitschrift u. würde ihr den Weg sehr erleichtern.

Sie sehen, ich bin schon mitten in der Redaktions-rabies, obwohl ich noch gar keine Ursache dazu habe. Mit den herzlichsten Grüßen

Ihr

dankbarlichst ergebener

Ernst Krause

P. S. Ich öffne noch einmal, um mich für Ihr freundliches Schreiben von gestern zu bedanken, welches soeben einläuft. Der Titel Kosmos ist meines Erachtens besser als Darwinia, unter welchem letztens soeben wieder ein komischer Roman erschienen ist.

a gestr.: als; b gestr.: zu; c eingef.: daß er; d eingef.: ebenfalls

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.12.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29421
ID
29421