Krabbe, Harald

Harald Krabbe an Ernst Haeckel, Fredericksberg, 28. Februar 1864

Fredericksberg d. 28 Februara

1864.

Lieber Haeckel!

Deiner Dänenfresserei ungeachtet freute es mich ungemein, wieder von Dir zu hören, und ich kann Dich damit trösten, daß es doch höchst wahrscheinlich Krieg wird, wonach Du Dich so sehr sehnst, – und vielleicht nicht einmal mit uns allein! Indessen hoffe ich, daß wir beide, resp. in Jena und in Kopenhagen, fern vom Kriegslärm, in Frieden sitzen bleiben können. Meine isländischen Bandwürmer lassen sich besser hier als am Danewirke mikroskopiren; ein Bandwurm ist mir leider in Hamburg verkommen, bei der [!] Einmarsch der Sachsen; Professor Keferstein in Goettingen war so freundlich mir ihn zu schicken, und der mir vom Postamte erbetene tarifmäßige Ersatz von 16 Schilling, kann mich für den Verlust nur wenig trösten. Ich sitze bis über die Ohren in Bandwürmern, und habe schon etliche Tafeln voll gezeichnet. Hoffentlich wird die Arbeit zum Herbst || in den Schriften unserer Akademien erscheinen; damit aber auch Andere davon belehrt werden können, denke ich die Arbeit auch selbstständig in französischer Uebersetzung erscheinen zu lassen. Die isländische Reise befriedigte mich sehr, aber die Beschreibung existirt nur in unvernünftiger dänischen [!] Sprache, und ist wohl auch nicht mehr werthb. Es gelang mir zweimal, den Taenia Echinococcus durch Fütterung mit menschlichen Echinokokken bei Hunden zu ziehen. Auch hatte ich gute Gelegenheit, Hunde zu untersuchen, zu welchem Zwecke ich immer mit einem Stricke, einem Messer und einigen Gläsern versehen war. Mehr als 100 isländische Hunde fielen als Opfer, und lieferten, außer 28 mal die Taenia Echinococcus auch eine neue Taenia und 3 verschiedene Bothriocephalen. Zum Landschaftszeichnen war es mir auf Island zu kalt, selten mehr als 7 Grad Wärme, den 9ten August am Mittag sogar nur 3½°; ich zeichnete eine Skizze von Eisfjord, konnte aber selbst in der Mittagsstunde, mit Handschuhen versehen, nie mehr als || eine halbe Stunde aushalten. Die Reise durch die Einöden im Inneren des Landes war sehr interessant wegen des vielen Eigenthümlichen, doch wegen der großen Strecken etwas einförmig. Wenn es Dich interessirt, über Island Etwas zu lesen, so giebt es eine sehr lesenswerthe deutsche Reisebeschreibung von Zirkel und Preyer, die aber in manchen Stücken nicht wenig romantisch und übertreiben ist.

Mein Bruder, der Landmann ist, wurde letzten Sommer von einem pommerschen Rittergutsbesitzer, Herrn von Wedell zu Silligsdorf bei Wangerin, engagirt, Schaafe nach Buenos Ayres zu führen, und hält sich vorläufig bei Wedell auf; er besuchte neulich unterweges [!] Hartmann und Chamisso in Berlin. Die politischen Wirren haben meine Eltern veranlaßt, von Kiel nach Kopenhagen überzusiedeln, und wohnen nun in meiner Nähe, was mir natürlich sehr lieb ist. Mein Schwager Molbech verweilt noch in Kiel, da er bei der Universität angestellt || ist, hofft aber bald abgesetzt zu werden, da er unter den jetzigen Verhältnissen bei seinen Vorlesungen über nordische Literatur natürlich keine Zuhörer hat. Er hat umziehen müssen, indem der „Herzog Friederich der Achte“ seine bisherige Wohnung bezogen hat. Daß Du es übernommen hast, Deine Landleute auszuschimpfen, ist sehr edelmüthig von Dir; möchten doch die Holsteiner es einsehen, wie übel es von ihnen bedacht ist, sich nach einer deutschen Regierung zu sehnen! Und möchten die nationalen Agitationen doch bald ein Ende haben und friedlicher Verkehr wieder eintreten!

In alter Freundschaft

Dein

H. Krabbe.

a korr. aus: Januar; b korr. aus: wehrth

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.02.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29193
ID
29193