Harald Krabbe an Ernst Haeckel, Frederiksberg bei Kopenhagen, 28. Juni 1861
Frederiksberg bei Kopenhagen
den 28 Juni 1861.
Lieber Haeckel!
Da es heute einer unserer größten Festtage ist (der 4te Jahrestag nach der Besteigung der Raxalpe), kann ich den Tag nicht vorüber gehen lassen, ohne dessen zu gedenken, zumal da die reiche Ausbeute jenes Tages mich neulich wieder erfreut hat, indem ich für eine kleine botanisirende Freundinn und Schülerin ein alpines Herbärchen gesammelt habe. Was machst Du denn eigentlich? ob Du Dich schon in Jena als Privatdocent etablirt hast oder ob diese Zeilen Dich in Berlin, in Freienwalde oder Häringsdorf treffen werden, ist mir ganz unklar. Geheirathet haben wirst Du doch nicht, ohne mich davon zu benachrichtigen? Und wie geht es mit dem Radiolarienwerke? Für den Prodromus danke ich bestens; er hat mir außer der zoologischen Belehrung auch eine kleine Uebung im Latein-Lesen verschafft. Nun wäre es ganz nett von Dir, wenn Du bald hier herüber kämst um Deine || Ansichten über die barbarischen Dänen ein bischen zu modificiren; wenn Du gegen den 18ten Juli herkommen könntest, würdest Du außerdem Gelegenheit finden, mit mir einige der schönsten Partien in Jütland und Fühnen zu besuchen; ich beabsichtige nämlich in der Sommerferie [!] diese Gegenden zu bereisen, die ich selbst nur theilweise kenne, und dann meine Eltern in Kiel zu besuchen; den 19ten August werde ich wieder hier sein. Um Pfingsten machte ich eine kleine Reise in Schonen, wo einige Punkte mich an gewisse Harzpartien erinnerten, aber allerdings weniger großartig. Uebrigens habe ich nicht viel von mir selbst zu erzählen; meine Lehrthätigkeit ist wesentlich dieselbe wie in den letzten Jahren; einige kleine halbpopulaire Aufsätze in dänischen naturhistorischen und veterinairen Zeitschriften können Dir von keinem Interesse sein. || Wenn sich Gelegenheit darbietet, durchwühle ich die Gedärme der Hunde um mit ihren Helminthen bekannt zu werden und dann mit der Zeit und wenn ich Reisegeld genug verdient habe, eine Entdeckungsreise in Island zu machen; zum selben Zweck studiere ich auch die isländische Sprache, die allerdings wegena ihres Formenreichthums, ungeachtet ihrer Stammverwandschaft mit der unsrigen, keineswegs leicht ist. – In der Hoffnung, bald wieder von Dir zu hören, schließe ich mit herzlichen Grüßen an Deine Braut und Deine Eltern und Bruder.
Dein
H. Krabbe.
a korr. aus: obgleich