Krabbe, Harald

Harald Krabbe an Ernst Haeckel, Kopenhagen, 27. August 1858

Kopenhagen d. 27 August 1858

Carissimo amico!

wie Du es siehst, fange ich gleich mit dem Italiänischen an, und die Veranlassung dazu ist die, daß ich bei meiner Ankunft hier durch ein Buch angenehm überrascht wurde, welches der Professor de Filippi in Turin mir durch Steenstrup zu schicken so freundlich gewesen war; wenn Du, wie ich vermuthe, diesen Herbst nach Turin kommst, möchtest Du mir daher das Gefallen thun, ihm für seine Freundlichkeit zu danken, so wie auch dem Herrn Dr. Vella das einliegende Briefchen zu geben, oder ihm es jedenfalls von Italien aus zu schicken, wenn Du selbst nicht nach Turin kommen solltest. –

Eigentlich bin ich Hartmann Antwort und Dank schuldig für den Brief und die Dissertation, die er so gut war, mir mit dem Dr. Heim zu schicken, ich denke aber, er hat Nichts dagegen, es durch Dich zu erhalten. Leider konnte ich dem Herrn Dr. Heim nicht im Hospital herumführen oder sonst zu Nutzen sein, da a er am selben Tage abreiste, als ich ihm sprach; er schien von seinem Besuche auf Seeland sehr befriedigt zu sein. Mörch dankt sehr für Claparèdes Dissertation, die er für ihn mitbrachte; ich habe von ihm ein Schächtelchen mit Schnecken bekommen, die Martens wünschte, und werde sie im Oktober mit einem norwegischen Freund schicken, der dann nach Berlin reisen wird. Wenn sich vielleicht im Berliner Museum Schnecken zum Vertauschen finden sollten, möchte Mörch sich wohl in einenb Tauschhandel einlassen und gelegentlich Martens ein Kästchen schicken. Wann und sogar ob es mir möglich sein wird, Hartmann die erwünschten Krebse zu schicken, davon kann ich leider gar Nichts sagen, indem Kröyer seiner Krankheit wegen in längerer Zeit gar nicht im Museum gewesen ist, und die Krankheit der Beschaffenheit ist, daß seine Genesung wohl zweifelhaft sein wird. –

Der Mister, der im Anfang dieses Monats herkommen wollte, hat noch Nichts von sich vernehmen lassen, und ich zweifle || daher daran, ob von seiner norwegischen Reise überhaupt etwas geworden ist. – Unsere Landbohöiskole hat denn nun seine Thätigkeit angefangen, nachdem sie vor einigen Tagen in Gegenwart des Königs feierlich eingeweiht wurde; Fenger, der Direktor der Schule, hielt dabei die Festrede und wurde sogleich danach vom König zum Etatsrath (= Geheimerath bei Euch) ernannt. Mit der pathologisch-anatomischen Sammlung bin ich jetzt fertig, und in den folgenden Monaten werde ich mit der zoologischen beschäftigt sein. Jeden Sonntag mache ich Spritzen in der Umgegend, reizende Fahrten zu Wasser längs der Küste, oder auf der Eisenbahn ins Land hinein, aber meist allein, um Verwandte und Bekannte zu besuchen. Einc solcher Kreis von Freunden wie in Wien und Berlin, die auch andere gemeinsame Interessen als die rein humanistischen hättend, wäre wohl hier nicht zu finden. Zwar wurde durch verschiedene Umstände dieser Sommer anders als wir uns ihn einrichten wollten, aber ein Sommer wie der in Wien läßt sich gewiß nicht einrichten, er muß von selbst kommen; indessen bringe ich auch von Berlin manche angenehme Erinnerung mit, und Nichts würde mir lieber sein, als gelegentlich wieder dahin zu kommen, wenn es auch nur auf kürzere Zeit wäre. Ich denke mir, daß Du es jetzt recht hild hast mit den Vorbereitungen zur Reise; ist die Zeit zur Abreise wohl etwa bestimmt? Hoffentlich höre ich doch von Dir ehe Du abreist. Ich suche vorläufig tapfer mich auf dem Gegenbauerschen Standpunkt zu halten, weniger aus Princip als aus Nothwendigkeit, daß Du, wenn wir uns wiedersehen, den entgegengesetzten realisirt haben wirst, daran zweifle ich nicht. Im Märtz wird meine Schwester den Professor Molbech heirathen und dann nach Italien mit ihm reisen; ich möchte eigentlich wohl an seiner Stelle sein! – das heißt, wenn ich Ursache hätte, mit meiner jetzigen Stellung hier weniger zufrieden zu sein als ich es bin. Grüße Chamisso und sage ihm, daß ich von Gosch Nichts gesehen oder gehört habe, aber vermuthe, er sei jetzt in Paris. Grüße auch recht herzlich Hartmann, Martens, Bezold, so wie Deine lieben Eltern, und erinnere Dich stets mit Freundschaft Deines

H. Krabbe.

a gestr.: d; b korr. aus: m in „einem“; c korr. aus.: einen; d eingef.: hätten

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.08.1858
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29182
ID
29182