Hermann von Königsbrunn an Ernst Haeckel, Graz, 6. März 1883
Gratz 6/3 1883
Hochverehrter Freund!
Erst jetzt ist es mir möglich mein Versprechen zu halten Ihnen eine Lichtdruckreproduction einer meiner Kohlenzeichnungen zu übersenden. Durch ein Zusammentreffen von Umständen habe ich nicht, wie ich es wünschte, die cyngalesische [!] Hütte unter Palmen, sondern einen Olivenwald auf Corfu vervielfältigen lassen können. Da mir aber die begeisternde Bewunderung der malerischen Schönheiten Corfu’s der Sie seinerzeit in einem Aufsatz der Deutschen Rundschau so lebensvollen Ausdruck gaben zu der Annahme Veranlassung gibt, daß Ihnen vielleicht das eingesandte Blatt auch eine Erinnerung an die dortigen Eindrücke hervorrufen könnte, so bitte ich || dasselbe als einen schwachen Beweis meiner ebensogroßen Verehrung als Dankbarkeit hinzunehmen.
Die Reproduktion gibt zwar die Stimmung des Originals nicht ganz getreu, was vielleicht seine Schwierigkeit haben mag, da die feinern Halbtönea des Urbildes in dieser Vervielfältigungsart nicht vollkommen zum Ausdrucke kommen. Da aber das hiesige Kunstkennerpublikum dieses Blatt mit allgemeiner Anerkennung aufzunehmen so gütig ist, so bitte ich diese freundliche Nachsicht auch zu üben.
Sollte ich bei diesem Versuchsblatte zu meinen Kosten kommen, so will ich 6 Cingalesische [!] Landschaften folgen lassen. Die Schwierigkeit liegt für mich sowie fast in allen derlei Fällen in der großen Provision der Kunsthändler und in meinem Falle besonders darin, daß das Blatt seiner Natur nach nicht auf die große || Maße sondern zunächst nur auf Kunstkenner angelegt ist. Das Verlegerwesen ist hier zu Lande, wie Sie wohl wissen, noch viel schlimmer als in Deutschland. Ich habe daher auch nur eine kleine Auflage von 100 Blättern machen lassen, und will b sehen, wie ich sie an Mann bringe. Dieser Handel ist so gar nicht nach meinem Geschmack und verleidet mir die ganze Lust zu publiciren, so schmeichelhaft auch die Aufforderung ist, die mir von vielen Seiten zu geht, diese Zeichnungen zu veröffentlichen. Mit der Bitte meine Aufdringlichkeit nicht übel zu nehmen zeichnet nebst vielen Empfehlungen von Seite meiner Frau und mich Ihrer geehrten Frau Gemalin höflichst empfehlend in unbegränzter Verehrung und Dankbarkeit
ergebenst
Bon Königsbrun
Das Kistchen mit dem Lichtdrucke folgt per Post.
a korr. aus: Halbtönen; b gestr.: ich