Königsbrunn, Hermann Freiherr von

Hermann Freiherr von Königsbrunn an Ernst Haeckel, Graz, 5. Juli 1882

Gratz 5 Juli 1882.

Hochgeehrter Herr Professor!

Seit einigen Tagen im Besitze Ihrer mir höchst interessanten Aquarellskizzen (12 Stück.) und der Fortsetzung Ihrer lebensfrischen indischen Reisebriefe danke ich verbindlichst für deren gütige Zusendung. Obwohl die Skizzen fast durchgehend von mir nicht besuchte Punkte darstellen, so erinnern sie mich in Ihrer trefflichen Charakteristik doch auf das lebendigste an die ceylanesische [!] Natur, und fühle ich mich gedrungen Ihrer eminenten Totalauffassung des landschaftlichen Charakters meine ungeheuchelte Anerkennung ja Bewunderung auszudrücken. Was an der Durchführung des Details bei der enormen Raschheit und Kürze der Ihnen gegönnten Zeit nothwendiger Weise fehlt, läßt sich zum Zwecke der Illustration recht wohl nachhohlen.

Mir persönlich, soweit hochgeehrter Herr Professor mich einer Theilnahme an der Illustration Ihres vorhabenden Werkes || zu würdigen geneigt sind, steht nur eine Frage offen, nämlich die, ob Art und Zahl der Bilder von Ihnen allein ohne Rücksicht auf das geschäftliche Interesse des Verlegers bestimmt, oder ob diesem ein vorwiegender Einfluß in dieser Hinsicht eingeräumt werden soll. Bis ich im August das Vergnügen Ihrer persönlichen Begegnung haben werde, wird sich diese Frage ganz klar gestellt und vielleicht auch beantwortet haben.

Warum sich diese Frage mir überhaupt aufdrängt?

Ihre Skizzen wären nach meiner Ansicht unter den Händen eines künstlerisch geschulten Xylografen sofort zur Ausarbeitung sehr wohl geeignet, und würden ohne viel wesentlicher Zuthat Illustrationen liefern, wie solche in Reisewerken oder Zeitschriften gewöhnlich vorzukommen pflegen. ||

Bei dem Glanze Ihres Namens und der gewiß hochgespannten Theilnahme des ganzen gebildeten Publikums an diesem Ihrem Werke glaube ich, müßten sowohl Sie sehr geehrter Herr Professor als auch der Verleger wünschen, der Lesewelt ein möglichst hervorragendes Reisewerk zu schaffen, das in seinem bildlichen Theile ein des Textes würdiger Begleiter zu sein anstrebt, sich wenigstens über die gewöhnlichen Tropenbilder erheben soll. Das nöthige Material hiezu ist in reichlicher Fülle vorhanden und damit die Möglichkeit ein Illustrationswerk herzustellen das durch Gegenstand und Autor sich rechtwohl mit den zahlreichen „Prachtwerken“ der Gegenwart messen könnte.

Freilich gestaltet sich die Sachea in diesem Falle etwas umständlicher und zeitraubender und es frägt sich daher, wie sich der Verleger zu dieser Anschauung verhält. || Ihr Reisewerk würde auch ohne jede Illustration seinen Triumfzug [!] feiern und dieser unter allen Umständen seine gute Rechnung finden, vielleicht eine ebenso vortheilhafte als bei einer Ausgabe mit den schönsten Bildern. Es wird daher wohl sehr darauf ankommen das Interesse des Verlegers für eine möglichst künstlerisch vollendete Ausstattung zu gewinnen.

Ich werde bis zu unserer Begegnung eine Ihrer Skizzen derart ausarbeiten, wie ich mir die Ausführung im Holzschnitte denke; auch eine Figurengruppe wird bis dorthin vollendet sein und zu Ihrer Beurtheilung sowohl als des Verlegers vorliegen.

Sollte es nicht Ihrer eigenen Idee zuwider laufen, so wäre es mir ein sehr freundlicher Gedanke nebst Ihren eigenen Bildern ein oder das andere größere meiner Bilder und vielleicht auch manche der interessanten || Photografien (Figurengruppen und Architektur) in Ihrem Werke aufgenommen zu sehen.

Ich bereite Sie einstweilen für diesen Gedanken nur vor in der Hoffnung damit keine Unbescheidenheit zu begehen und erwarte eine vollkommen offene Darlegung Ihrer Ansicht darüber bei unserer persönlichen Zusammenkunft über deren genauen Zeitpunkt ich Ihrer Mittheilung seiner Zeit entgegensehe. Ich bin bis zum 20t. d. M. noch ganz sicher in Gratz, vielleicht auch noch einige Tage länger, werde aber jedenfalls vor meiner Abreise mir erlauben Ihnen meine weitere Adreße mitzutheilen. Inzwischen werde ich auch Ihre werthvollen Skizzen retourniren für den Fall als Sie selbe nicht gleich dringend bedürfen.

Mit ausnehmender Verehrung zeichnet hochachtungsvoll ergebenst

Bon Königsbrun

a eingef.: die Sache

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
05.07.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 28938
ID
28938