Willy Kükenthal an Ernst Haeckel, Breslau, 14. Februar 1904
PROFESSOR DR. W. KÜKENTHAL,
DIRECTOR DES ZOOLOG. INSTITUTES
UND MUSEUMS DER UNIVERSITÄT.
BRESLAU, DEN 14 Februar 1904
Lieber Herr Professor!
Zu Ihren 70ten Geburtstage naht sich Ihnen ein alter Schüler um seinem lieben Meister die herzlichsten Glückwünsche darzubringen. Vor Allem wünsche ich, daß Ihre jugendliche Frische, die wir alle an Ihnen bewundern, Ihnen noch recht viele Jahre erhalten bleiben möge zur Freude Ihrer Angehörigen und Freunde.
Wie gerne hätte ich Ihnen || persönlich meine Glückwünsche überbracht und Sie im alten Jena wieder aufgesucht, so muß ich mich damit begnügen Ihnen meine Grüße schriftlich zu senden.
In diesen Tagen habe ich viel an Jena zurückgedacht und mich gern der schönen Zeiten erinnert, welche ich an Ihrer Seite verleben durfte. Auf das Lebhafteste tritt mir vor Augen, wie viel ich Ihnen, besonders auch für meinen inneren Menschen verdanke. Sie sind es gewesen, der mir zuerst die Pforten unserer || herrlichen Wissenschaft erschloß, Sie sind mein Lehrer gewesen zu dem ich stets in Bewunderung aufgeblickt habe, und wenn ich auch nicht stets „in verba magistri“ geschworen habe, so waren Sie doch stets mein Lehrer in viel tieferer Bedeutung des Wortes, als ein Vorbild, dem ich nachgestrebt habe. Von Ihrer glühenden Begeisterung für die Wissenschaft, der Liebe zur Natur, Ihrer großzügigen Auffassung aller wissenschaftlichen Fragen haben Sie ein Samenkorn in meine Brust gesenkt, und dafür danke ich Ihnen heute aus vollem Herzen. ||
Auch die jüngere Generation von Zoologen, die sich hier in Breslau um mich geschaart hat, gedenkt an diesem Tage des Begründers der heutigen morphologischen Wissenschaft und bittet mich Ihnen ihre ehrfurchtsvollsten Glückwünsche zu übermitteln.
Mit den herzlichsten Grüßen, auch an Ihre Frau Gemahlin
Ihr treu ergebener
Willy Kükenthal.