Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 26. Juli 1918

DR. GUSTAV KRAUSENECK

TRIEST, AM 26. Juli 1918

SCORCOLA 769

Hochverehrter Freund!

Ein Anlaß zu freudiger Empfindung in dieser schweren Zeit ist eine grosse Seltenheit und keine konnte mir willkommener sein, als ein Sie betreffendes Ereignis. Meine Gedanken, meine Erinnerungen beschäftigen sich so viel mit Ihnen und da will ich Ihnen aussprechen, wie sehr mich und meine Frau & Schwester der Brief Ihres lieben Sohnes erfreut hat, der uns erzählt, wie schön, wie Ihren Erwartungen entsprechend die Sache mit Ihrer „Villa Medusa“ und den Sammlungen zur Entscheidung gelangt ist. Da ich heute aus der Frankfurter Zeitung ersehe, daß die Nachricht schon vor die Öffentlichkeit gekommen ist, darf ich mir auch erlauben, Ihnen meine herzlichsten || Glückwünsche zu der so befriedigenden Lösung dieser Frage auszusprechen, durch die Sie wieder der Wissenschaft, der Nachwelt ein grossartiges Geschenk machen, Ihrem Namen, wenn es dessen noch bedürfen konnte, einen noch bedeutungsvolleren Gehalt sichern. Wie stolz darf Ihr Bewusstsein in die Zukunft schauen, wie stolz darf Jena auf seinen Häckel sein. –

Aber auch was Ihr lieber Walter von Ihnen erzählt, hat uns herzinnig erfreut. Nein! verehrtester Freund, noch sind die Tage nicht gezählt, die Sie am Werk sehen, Ihrem Wirken & Schaffen gehören und Sie uns, Ihren Verehrern & dankerfüllten Freunden, erhalten. Und täglich empfinde ich es als ein besonders wertes Geschenk, daß es mir vergönnt war, das damals schon grossartige Museum zu sehen und auch den Raum der Ihre persönlichen Erinnerungen barg & in noch erweitertem Maße bergen sollte. Daß nun Ihr schönes, liebes, || eigenes Heim die bleibende Stätte wird, wo Sie in edelster Gestalt über alle natürliche Lebensgrenze hinaus fortleben werden, das darf Ihnen wohl eine sehr teure Genugtuung sein. Und da werden auch Angehörige unserer heutigen Feindesvölker, wie bei so manchem in Deutschland, weil sie ihre Bewunderung unterdrücken zu meinen glauben, zur Besinnung kommen und ihr Unrecht einsehen, in das sie ihr blöder Hass gegen Deutschland versetzt hat. – Ich gehöre nicht zu denen, die baldige Abkehr von unseren jetzigen Empfindungen gerechten Widerwillens wünschen, aber ich glaube, daß die Anderen nicht auf die Dauer so verlassen von aller Einsicht bleiben können, daß nicht die beiden Geister den Weg der Verzeihung betreten & dann immer mehr Gefolgschaft nach sich ziehen sollten. Dann freilich werden die Deutschen die dargebotene Hand nicht zurück weisen. – Aber das werden wir alle nicht erleben; wir werden glücklich sein, wenn wir nur die Voraussetzung || dessen, den glücklichen Ausgang des Kampfes selbst, noch sehen dürfen!

Sehen Sie nicht eine Unbescheidenheit darin, daß ich Ihnen bei diesem Anlasse, der Ihnen so viel Arbeit verschafft, auch wieder erscheine; Ihr Walter wird mir, so verspricht er, bald wieder von Ihnen erzählen und hoffentlich wieder Gutes & Erfreuliches!

In treuer Verehrung & Liebe und mit auch der Meinen wärmsten Grüssen & Wünschen

Ihr dankbar ergebener

G. Krauseneck

Brief Metadaten

ID
27842
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreichisch-Ungarische Monarchie
Datierung
26.07.1918
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,3 x 22,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27842
Zitiervorlage
Krauseneck, Gustav Adolf an Haeckel, Ernst; Triest; 26.07.1918; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_27842