Krauseneck, Gustav Adolf

Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Lassnitzhöhe, 6. August 1917

Lassnitzhöhe bei Graz, 6. August 1917

Hochverehrtester Freund!

Empfangen Sie meiner Frau und meinen innigsten Dank für die herzlichen Worte der Teilnahme und altfreundschaftlicher Gesinnung, die wir besonders wohltuend empfinden, weil sie der Trauer um den erlittenen, herben Verlust, zugleich aber schöne Erinnerungen gelten, die Ihre lieben Worte über Olga’s Elternhaus und damit an das alte herrliche Rom wachrufen. – Nun sind unsere Beziehungen mit dem dortigen Leben ganz abgebrochen; eigentlich waren sie es ja diese ganze, letzte schreckliche Zeit hindurch schon und die völlige Unmöglichkeit, ihrer schon seit Jahren schwer kranken Mutter noch einmal die Hand drücken zu können, bekümmerte meine Frau vielleicht in höherem Maße, als jetzt das Bewußtsein, || daß sie von ihren langen Leiden erlöst ist und nun auch ihre Asche an der Seite des Vaters bei der Cestius-Pyramide ruht. Nun hoffen wir, daß meine Schwägerin, die die Mutter treu gepflegt hat, jetzt den Weg heraus finden werde; das Erfahren aller Einzelheiten dieses traurigen Abschlußes eines reichen Lebens würde meine Frau den Verlust umsomehr als Erlösung erscheinen lassen & ich hoffe, daß die damit erreichte herrliche Beruhigung die Erholung meiner Frau nach ihrer schweren Erkrankung befördern werde, wiewohl auch hier die jetzigen Lebensbedingungen in materieller Hinsicht eine richtige Kräftigung wesentlich erschweren. –

Bei bescheidenen Ansprüchen sind wir hier ganz zufrieden und trachten gegenseitig uns die Sehnsucht nach der Heimat auszureden und mehr noch die nach freier Bewegung, die uns wohl vor allem wieder || nach Deutschland führen würde. Heute noch kann ich Olga nicht nach Hause bringen. Ich sehe mir dort öfters Alles an, eben war ich einige Zeit in Triest, aber der furchtbare Krieg rast in sicht- und hörbarer Nähe weiter, wie in Flandern & im Osten & kranken Frauennerven könnte das nicht wohlbekommen.

Von Ihrem lieben Sohn hatte ich vor kurzem Nachricht; leider bestätigen Ihre Worte, daß Sie, verehrter Herr, sich schwer bedrückt fühlen und, wenn man bedenkt, wie schön und erhebend Ihr Alter nach so großer, wundervoller Lebensarbeit sich ohne Weltunheil gestaltet haben würde, so begreift man’s vollkommen. – Aber – aber: es wird doch Alles noch gut werden. Die Friedensfrage, die etwas verfahren ist, findet wohl keinen Bismarck, aber entscheid ist die militärische Seite & die hat ihren Hindenburg!

Ich habe das volle Zutrauen, daß Deutschland, & neben diesem || auch wir, in jeder Hinsicht durch- & aushalten können bis endlich doch Einsicht oder Zwang zum Niederlegen der Waffen führt und daß dann der ungeahnte Verrat, an Kraft & Tüchtigkeit auf so vielen Gebieten (wohl grade auf diplomatischeren nicht so ganz) das deutsche Volk den Weg zu weiterer Größe finden lassen wird! Auch da: Impavidi progrediamur!

Ihnen und allen Ihrigen unsere innigsten Wünsche und herzlichsten Grüße und in dankbarer Verehrung

Ihr G. Krauseneck

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
06.08.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27838
ID
27838