Krauseneck, Gustav Adolf

Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 6. September 1914

Triest, am 6. Sept. 14

Hochverehrtester Freund!

Durch Ihren lieben Sohn erfahre ich, dass Sie wohlauf sind, aus der Zeitung, dass Sie Ihre gewaltige Stimme auch erhoben haben, um Ihre Entrüstung namentlich über England öffentlich auszusprechen und dass Sie auf die Ihnen dort zugekommenen Ehren verzichtet haben. Ein Blatt der Jenaer Zeitung, wohl mit dem mir von Ihnen zugedachten ganzen Aufsatz, ist leider in Verlust gerathen. Wir waren abwesend als es kam und, nachgesandt, kam er nie in meine Hand. – Wir waren in der Schweiz, fuhren dann mit Etappen nach Hause und || verbringen nun hier die Tage in Spannung und Erwartung von Nachrichten. Von meinen näheren Angehörigen ist keiner im Feld, von weiteren und lieben Freunden eine grosse Zahl. Ihr Sohn schreibt, dass er noch zu Hause sei, wohl in Erwartung der Einberufung zum Landsturm.

Es musste ja kommen, was gekommen ist; aber dass hinter den erwarteten Feinden, wie die Aasgeier, Engländer, Japaner und Mörder-Consorten Deutschland überfallen würden, war dann doch zu viel. Nun aber ist es um so erhebender, dass das treue, feste Zusammenhalten unserer beiden Staaten, wie wohl nicht mehr zu bezweifeln, auch über diese grosse Übermacht den grossartigsten Sieg erringen wird, den je in der Geschichte den Verteidigern der menschlichen Kultur davonzutragen gegeben sein wird. England hat damit wohl auf lange hinaus jedweden || Anspruch auf Achtung verwirkt. Gemeiner Neid, die scheusslichste Gesinnung, wie des Einzelnen, so einer Nation, und Spekulation auf Vorteile im Geschäftsleben haben es in den Krieg gezogen und tagtäglich grübelt und hofft man, dass und wie es möglich sein werde, es etwa, wie jetzt schon Russen & Franzosen, zu züchtigen. –

Dass die Deutschen kaum 4 Wochen nach dem Beginn der Feinseligkeiten vor Paris stehen, dass die Russen von beiden Gegnern so gewaltig zurückgeworfen sind, ist so wunderbar grossartig, dass man manchmal kaum an eine solche Möglichkeit glauben kann. Viel ist freilich noch zu leisten und eben in diesen Tagen kämpfen unsere Truppen in Ostgalizien einen ganz furchtbar schweren Kampf. Aber wir sind alle voll Zutrauen in die Führung und die || Truppen selbst. – Und die herrliche Einmütigkeit der Nation, selbst bei uns in Oestreich das völlige Vergessen all des hässlichen Haders; darf man daraus nichta die sichere Hoffnung schöpfen, dass wir Deutsche – Alle, in beiden Staaten – einer grossen Zukunft entgegensehen?

Verehrter Freund! Ich dachte & denke so viel Ihrer; ich hatte das Bedürfnis, Ihnen zu sagen, dass ich Sie dazu beglückwünsche, als 80jähriger diese grosse Zeit, diese überwältigende Erhebung der Nation, der Ihr edles Herz gehört, mitzuerleben!

Seien Sie in Liebe & Verehrung umarmt und bewahren Sie uns, die Sie alle in alter Treue begrüssen, Ihre Freundschaft.

Stets ganz der Ihrige in herzlichster Verehrung

Gust. Krauseneck

a eingef.: nicht

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
06.09.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27830
ID
27830