Krauseneck, Gustav Adolf

Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 16. Oktober 1913

Triest, am 16. Oktober 1913

Hochverehrter Freund!

Ich komme erst heute dazu, Ihnen zu sagen, wie sehr uns Alle der Besuch Ihres lieben Sohnes erfreut hat und Ihnen für diese uns so wert gewordene Bekanntschaft herzlichst zu danken. Ich habe mich bemüht, ihm einiges von dem, was den Fremden intressiren kann, zu zeigen und ich hoffe, daß ihm das Gesehene nicht blos aus ererbter Liebenswürdigkeit gefallen zu haben schien. Leider war sein Aufenthalt allzu kurz, leider mußte er auch die Bekanntschaft der schlimmen Zugabe zu unsrem Klima – einer Herbst-Bora – machen, und konnte ich ihm das Schönste, das wir haben, unsere Miramare nicht zeigen. Das Schloß ist von Prinzen und Prinzessinnen bewohnt und verschließt die Vorsicht unserer Behörden der Plebs den Zutritt. – ||

Indeß die wenigen Tage haben genügt, Ihrem Herrn Sohne unsre herzlichste Freundschaft & Sympathie zuzuwenden, die uns hoffen läßt, daß er sie erwidern und uns noch manchen Besuch, zunächst auf seiner Rückreise, und dann einmal mit seiner Frau schenken werde. Vielfach ruft sein Wesen Erinnerungen an seinen Vater wach, wie er vor Jahren uns unvergesslich schöne Stunden bereitet hat. Das Beste aber, was er uns gebracht, waren die guten Nachrichten von Ihnen, verehrter Herr, und ich sehe daraus, daß Ihr Befinden seit dem Sommer 1912, der mir das kurze Wiedersehen mit Ihnen geschenkt, sich bedeutend gebessert hat. Lassen Sie uns die Hoffnung hegen, daß die Genesung noch weitere Fortschritte machen werde und daß, wenn ich Sie wieder besuchen kann, ich die Freude haben werde, das herrliche phyletische Museum an Ihrer Seite || zu sehen. – Auch einen kurzen Besuch des Herrn Prof. von Eggeling mit Gemahlin haben wir gehabt & wir alle haben uns darüber sehr gefreut. Sie scheinen sich auf Lussin wohl zu befinden; vielleicht können wir sie auf ihrer Rückreise länger sehen.

Eine Karte aus Lesina zeigt mir, daß die Verhältnisse dort sich seit Ihrem Aufenthalte wesentlich geändert haben; ein Hôtel sorgt für den Fremden, wenn auch noch nicht eines der Großen, wie sie an unserer Küste jetzt in allzu großer Zahl und jener schrecklichen „Erstklassigkeit“ entstehen. Es sammelt sich da eine Menschensorte an, die denen, die Andres anbeten als Geld & Diners mit 7 Gängen, alle Herrlichkeiten gründlich verleidet. – So ist es ja jetzt auch in unserem lieben alten Tirol. Vor 2 Jahren wollten wir Klobenstein wiedersehen, das Sie ja auch kennen. Aber jede Stunde 60 – 70 Fahrradbahn-Turisten, Smokingzwang am Abend und || dergl. lassen es zu keinem richtigen Empfinden der großen Dolomitenwelt mehr kommen. –

Ich gehe nächstens mit meiner Frau nach Rom. Meine Schwiegermutter ist recht elend und ihr gilt der Besuch. Auch dort werde ich Ihrer gedenken und den Orten, die mir Ihre Gesellschaft verschönt hat, Ihre Grüße bringen. Meine Frau & Valentine senden viel herzliche Grüße und Ihrer verehrten Frau Gemahlin lege ich mich zu Füßen. In ewig dankbarer Verehrung & Freundschaft

Ihr treuergebener

Gust. Krauseneck

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
16.10.1913
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27826
ID
27826