Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Ratges, 28. August 1889
Ratges bei Waidbruck,
Tirol, am 28/8/89.
Hochverehrter Herr Professor!
Von einer sehr gelungenen Tour über den Cevedale, in’s Engadin und an den Bodensee zurückgekehrt, finde ich Ihre Karte aus Jena, welchen meine Schwester schon beantwortet hat, für welche Ihnen besonders zu danken, ich jedoch nicht unterlaßen will.
Wir haben dies Jahr hier, am Fuße des Schlern, das Hauptquartier || aufgeschlagen, mit erster Wahl wir alle sehr zufrieden sind. Man lebt im Walde, 4 Stunden von der Bahn, ohne Telegraph sehr angenehm, mitten in der großartigsten Natur, ohne durch Nordmenschen gestört zu werden – für sehr wenig Geld und doch ganz gut. Wenn Sie einmal für die Dolomiten Zeit übrig haben, so empfehle ich Ihnen den Ort sehr angelegentlich.
Leider muß ich mit meiner Frau schon nach Hause, wo ich am 1. Sept. eintreffe. Valentine geht mit Frau Kopf nach Gossensass; mein Schwiegervater ist mit Martha || (der wirklichen, die mamorne steht in München) unterwegs nach Paris & London & wird dennoch diesmal schwerlich die Freude haben, Sie in Baden zu sehen. –
Daß Sie mit Ihren verehrten Damen nicht nach Triest kommen, bringt uns um eine sehr große Freude. Hoffentlich ist auch hier: aufgeschoben nicht aufgehoben & wir bekommen dann im Frühjahr Ihren lieben Besuch. –
Im nächsten Jahr werde ich jedenfalls etwas früher anfragen, ob Sie in unsere Gegende || irgendwo erreichbar sind. Diesmal dachte ich sicher sein zu können Sie im Sept. bei uns zu sehen, daß ich keinen andren Möglichkeiten nachging. Meinen Eltern, die nun auch wieder zu Hause sind, & meinen hier sitzenden Damen, die mir die herzlichsten Grüße an Sie auftragen, geht es recht gut; mir vortrefflich & indem ich Ihnen die angenehmsten Ferien wünsche, bin ich, hochverehrter Herr Professor, Ihr
aufrichtigst ergebener
Gust. Krauseneck