Ernst Ehlers an Ernst Haeckel, Göttingen, 31. [Oktober 1911]
Göttingen 31.XI.911
Lieber Haeckel!
Die Kiste mit den phylogenetischen Tafeln des Dr. Hackeling, die Sie an das hiesige Zoolog. Institut sendeten, ist wohlbehalten angekommen. Sie wurde vom Diener geöffnet mir im Institut aufs Zimmer gestellt, und ich lasse sie unausgepackt nach der Angabe der Frau Hackeling, bis die Dame persönlich mir die Rollen vorführt. Eine der Rollen habe ich vorläufig angesehen, und muss den Fleiss und die Sorgfalt anerkennen, die auf ihre Herstellung verwendet ist. Über den Inhalt habe ich noch kein Urtheil. Mir war deshalb das Ihrige zunächst sehr willkommen. Mit der Veröffentlichung der Tafeln wird es hapern. Die Kosten der Reproduction werden erheblich sein, das kaufende Publikum dafür dürfte nicht gross sein, || und so gehört ein unternehmender Verleger dazu, die Sache ohne Subvention zu übernehmen. In Ihrem phylogenetischen Museum wären die Originale jedenfalls sehr am Platz.
Ich habe mit Bedauern von Ihrem Unfall gehört, und dass Sie noch an den Folgen des Bruches zu leiden haben. Ich hoffe aber, dass Sie bei Ihrer kräftigen Natur Alles überwinden und wieder
ganz beweglich werden. Mein alter Schwiegervater Hasse erlebte im 90t Jahre durch einen Fall Bruch des Schenkelhalses und des Unterkiefers, und überstand beides, allerdings mit einer Verkürzung des Beines, da er einen Streckverband nicht leiden wollte. Und ich habe in meiner nächsten Nähe glückliche Heilungen eines solchen Bruches gesehen. Das lässt mich auch für Sie hoffen. Mit der Reise in das || Nirwana hat es dann ja noch Zeit.
Von mir kann ich – unberufen – Gutes melden: einige leichte gichtische Beschwerden haben mich wohl einmal geplagt, nicht aber an Thätigkeit behindert. Ich habe die Anneliden der Discovery-Expedition bearbeitet, und schliesse nun die Bearbeitung der Anneliden-Sammlung aus der „Gauss“-Expedition ab. Ich hoffe im Winter-Semester damit fertig zu werden. Dann habe ich auch daran zu denken, einer jüngeren Kraft Platz zu machen, obgleich der Gedanke, die Arbeit einzustellen, mir wenig sympathisch ist.
Lassen Sie uns also noch eine Zeitlang neben einander durch’s Leben pilgern, verbunden durch gemeinsame Erinnerung an eine fröhliche Jugendzeit.
Mit herzlichem Gruss
Ihr alter
E. Ehlers