Arnold Lang an Ernst Haeckel, Zürich, 1. März 1892
Verehrter Lehrer und Freund!
Ich erhalte soeben die englische Uebersetzung meiner vergleichenden Anatomie, in welcher mir Ihre Vorrede entgegenleuchtete. Ich bin durch dieselbe beschämt, denn ich bin mir nur zu sehr bewusst, dass mein Buch, wenn ich mir auch für dasselbe alle erdenkliche Mühe gegeben habe, das Lob nur recht wenig verdient. Es thut mir auch sehr leid, dass Ihre Empfehlung des Buches mit Lankesters‘ sehr abfälliger Kritik in Widerspruch kommt, denn es wird Ihnen gewiss recht unangenehm sein, ein von Ihnen bevor- und befürwortetes Buch in dieser Weise von Lankester beurtheilt zu sehen. ||
Mit der Abth. Mollusca werde ich in den nächsten Wochen fertig. Während des Semesters komme ich fast gar nicht zur Arbeit. In einer Ferienwoche komme ich weiter als in zwei Semestermonaten.
Ich danke Ihnen noch nachträglich recht sehr für Ihre freundliche Einladung zur Hochzeit Ihrer Tochter. Sie können sich denken, wie gerne wir nach dem lieben Jena gekommen wären.
Unser Haus war den ganzen Winter ein Spital für Leichtkranke. Bei mir selbst herrschte den ganzen Winter nur ein Katarrh.
Die Kleinste, Marietta, im Ganzen gesund und aufgeweckt, macht || uns Sorge. Sie hat einen Torticollis und muss demnächst operirt werden.
Ich gehe ungefähr am 20ten März in’s Tessin um dort ruhig zu arbeiten, wahrscheinlich nach Ascona bei Locarno.
Wir würden uns natürlich riesig freuen, Sie recht, recht bald wieder zu sehen. Wir haben deutliche Sehnsucht nach Ihnen und Rosa Lilia brennt ebenfalls vor Ungeduld, Ihren Pathen mit ihren etwas älter gewordenen Augen betrachten und bewundern zu können. Aber Sie haben uns schon so oft Enttäuschung bereitet – – – – –!
Wollen Sie in meinem Namen Kükenthal bestens danken für die Zusendung der Photographie seiner Tochter, die uns sehr gefreut. Sobald ich etwas freier bin, werde ich auch K. schreiben. ||
Mein Assistent, welcher mit Gelenktuberculose behaftet ist, sich aber durch die Behandlung mit kochlscher Lymphe geheilt glaubte, hat gestern wieder operirt werden müssen und da hier das Semester noch nicht zu Ende ist, so bin ich sehr geplagt zumal auch zahlreiche Examina meine Zeit in Anspruch nehmen.
Nehmen Sie verehrter Lehrer, mit meinem wärmsten Dank meine herzlichsten Grüsse entgegen!
Ihr treu ergebener
Arnold Lang
Zürich 1 März 1892.