Eggeling, Heinrich von

Heinrich von Eggeling an Ernst Haeckel, Jena, 24. Februar 1897

Jena 24/ II 97

Hochverehrter lieber Freund!

Von einem kleinen Ausfluge heimkehrend fand ich gestern Abend Ihren Brief vom 18. dieses Monats vor, der uns hoch erfreute. Viel herzlichen Dank für die guten Wünsche, welche Sie mir in das neue Lebensjahr mitgaben. Meine Frau und ich senden auch Ihnen die innigsten Wünsche für das am 16. begonnene neue Lebensjahr, das Ihnen ein ganz ungetrübtes sein möge! Wir haben Ihrer an dem Tage sehr gedacht und Ihnen unsere Wünsche zugerufen, wenn wir auch nicht wussten, wo Sie von denselben angetroffen würden.

Nun nach Ihren Zeilen ist ja das Jahr sehr glücklich für Sie eröffnet! Wir freuen uns mit Ihnen der ehrenvollen, warmen Begrüßung, welche Ihnen dort zu Theil geworden ist, – mit Ihnen auch, das Sie die im Frühlings-||schmuck prangende Natur an einem der schönsten Punkte der Welt in vollen Zügen genießen. Fast könnten die Ihnen dargebrachten Ovationen und Ihre begeisterte und begeisternde Liebe für Sicilien mich mit der Sorge erfüllen, daß es gelingen möchte, Sie uns abspenstig zu machen! Aber nein! Sie sind und bleiben ein guter Jenenser! – Hoffentlich wird es Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin und Ihrer Fräulein Tochter an der Riviera weiter stets gut gehen, so daß Sie ganz ungestört Ihrer schönen und großen Aufgabe leben und sich des Aufenthalts in Messina ganz erfreuen können! –

Bei uns geht’s in gewohnter Weise weiter. Des Frühlings holder, belebender Blick hat die ungeheure Masse von Schnee und Eis zu ziemlich verjagt, dafür allerdings unergründlichen Schmutz hervorgerufen, so daß man eigentlich nur im Paradies, wenn man es erst glücklich erreicht hat, spazieren || gehen kann, aber es wird bald besser werden!

Sonst gibt’s trauriges aus Jena zu berichten. Daß der Kaufmann Schnuse sich in voriger Woche erhängt hat und ein unerhörter Concurs seines Nachlasses sich herausgestellt hat, werden Sie wohl schon gehört haben. Viele Leute sollen viel Geld dabei verlieren. –

Weit schmerzlicher, tiefergreifend ist die heute Mittag von Freund Fürbringer mir mitgetheilte Nachricht, daß Frau Professor Stinzing gestorben ist. Dem Vernehmen nach sollen die Nachrichten über ihr Befinden in letzter Zeit sehr gut gelautet haben; da ist Stinzing gestern telegraphisch hinberufen und heute früh hat er auf demselben Wege die Trauerbotschaft gesandt. Der arme Mann! Und die armen Kinder! Es ist ein ungeheuer trauriges Geschick! –

Von der Universität ist nichts wesentlich Neues zu berichten. Dem Curator wird einmal wieder der Kopf etwas heiß gemacht mit Anträgen auf Einführung der elektrischen Beleuchtung etc. in die Institute. Nun, man muß solche Sache nicht zu eifrig betreiben. Mit der Zeit || wird auch diese Frage gelöst werden. –

Aus unserem einsamen Hause und aus unserer Familie kann ich nur Bestes berichten. Von den Kindern haben wir stets gute Nachrichten. Heinrich war kürzlich von Schwalbe-Straßburg angeboten, als II Assistent dorthin zu kommen; wir waren aber einmüthig der Ansicht, daß es richtiger wäre, seine Stellung bei Stöhr zu behalten; es sprach doch sonst Alles dafür und Stöhr hat Heinrichs Entschluß sehr freundlich begrüßt. – Wir erwarten den Erstgeborenen etwa 8 Tagen; er wird etwa 4 Wochen bei uns bleiben können, wo er die Referate für den Schwalbe‘schen Jahresbericht auszuarbeiten gedenkt. Sie wird er denn mir wenigstens einen Theil der Zeit der Einsamkeit erleichtern; meine Frau wird am 20/ III nach Berlin gehen, um Lotte zur Seite zu stehen. Ich war vor 14 Tagen in Berlin und fand Lotte sehr wohl und tapfer. – Zu Ostern wird dann auch Bernhard wohl auf 14 Tage zu mir kommen können.

Fürbringer, dem ich heute Mittag Ihre Grüße überbrachte, ist noch immer nicht ganz wohl und geht nur aus, um seine Vorlesung zu halten; er hatte noch Stubenfarbe, die Sie in dem herrlichen Klima jedenfalls gründlich verlieren! Unsere besten Wünsche sind immer mit Ihnen! Schreiben Sie nach San Remo, so legen Sie viel Grüße von uns bei! – Treu ergeben

Ihr Eggeling

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
24.02.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2621
ID
2621