Eggeling, Heinrich von

Heinrich von Eggeling an Ernst Haeckel, Jena, 21. März 1890

Jena 21/ III 90.

Lieber Herr Professor!

Ihr gestern eingetroffener Brief vom 14. dieses Monats hat uns große Freude gemacht und eile ich, Ihnen meinen herzlichsten Dank hierfür auszusprechen. Sehr leid war mir freilich zu hören, daß Sie vom Wetter auch dieses Mal nicht begünstigt sind; hoffentlich hat sich das inzwischen verbessert! Desgleichen wünsche ich von Herzen, daß Sie von der Ausbeute Ihrer Reise inzwischen mehr befriedigt sein werden. Sie werden schon Gewinn mitbringen trotz ungünstigen Wetters; daran zweifle ich am wenigsten. Vor Allem aber wünsche ich, daß Sie gesund bleiben und recht erfrischt und gestärkt zu uns zurückkehren! Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen!

Ja! Bei uns gab‘s mancherlei Kümmernisse, kleine und große. Zu den ersteren rechne ich, daß die fortdauernde Influenza mich nochmals an‘s Bett fesselte, meine Frau an altem Leiden || gleichzeitig erkrankte, wodurch wir genöthigt waren, unser Fest, für welches bereits alle Vorbereitungen getroffen und das Haus auf den Kopf gestellt war, in letzter Stunde absagen mußten. So fatal dieses war, so haben mir doch andere Sachen, insbesondere die Vorkommnisse bei dena und das Ergebnis der Reichstagswahlen und interne Dinge bei der Universität mehr Schmerzen und Sorgen bereitet. Es ist ja schmerzlich, zu sehen, daß unser Volk das Glück nicht zu würdigen weiß, welches ihm durch die Ereignisse der letzten 25 Jahre beschieden ist, und aus thörichtem Unwillen gegen die Regierung, welche doch nur die Besserung der Verhältnisse erstrebt, die mit schweren Kämpfen und unsäglichen Opfern errungene Lage zerstört. Im ganzen Lauf der Geschichte ist Deutschlands äußere und innere Lage keine so glückliche gewesen als in der Zeit, deren Zeugen wir gewesen sind. Aber die Thoren fanden, daß es nach ihren Doktrinen geschehen müsse, und erkennen den Rath der Sachverständigen nicht an; || sie sind ja immer die Klügsten. – Die Nachricht von der Entlassung Bismarcks wird auch Sie sehr betrübt haben. Nach den Zeitungen sieht sich die Sache so an, als ob dieselbe ohne jede Kränkung etc. erfolgt sei; in Wirklichkeit aber soll viel Verdruß vorgekommen sein. Daß der junge, thatenlustige und thatendurstige Kaiser ein großes Hemmniß in dem alten, vorsichtig-schreitenden Kanzler empfinden würde, war ja vorauszusehen, aber es war doch zu hoffen, daß er den Rath dieses um Deutschland und Preußen so hochverdienten Mannes nicht entbehren möchte, solange b nicht „mors imperator“ ihn desselben beraubte. Es kann ja sein, daß es dem jugendlichen Kaiser mit anderen Kräften besser gelingt, die Sachen zum guten Ziele weiter zu leiten; die beste Absicht ist zweifellos vorhanden – wünschen wir also auch besten Erfolg! Indeß man fühlte sich so sicher, solange Bismarck‘s Hand die Geschicke leitete, und es überkommt Einen jetzt unwillkürlich dasselbe Gefühl, oder ein ähnliches wie das, welches uns erfüllte, als Kaiser Wilhelm heimgegangen war. || Ueber unsere Verhältnisse muß ich mir das Ausführliche bis zur mündlichen Besprechung vorbehalten. Für heute nur, daß der Antrag der philosophischen Facultät, der Senat möge die juristische Facultät auffordern, den Druck ihrer Dissertationen in Erwägung zu ziehen, ungeheuren Sturm hervorgerufen hat der Art, daß der Senat durch Weggehen des Ordinarius beschlußunfähig gemacht wurde. In einer folgenden Sitzung ist die Sache dann an die Verwaltungsdeputation überwiesen; es steht zu hoffen, daß diese die Sache beilegen wird. –? –

p. Mostbach ist nach langem Leiden nach Suditation abgereist nicht ohne zuvor mir eine Beschwerde über Seidel zur Vorlage in Weimar einzureichen; ich bin jedoch der Meinung, daß die Sache vor der Verwaltungsdeputation auszutragen ist und habe sie dahin abgegeben. Vierordt geht nach Heidelberg; leider! – Meyer ist nach Wien berufen; an seine Stelle tritt Behrens aus Greifswald. Sonstige Änderungen welche uns drohten, scheinen nicht mehr bevorzustehen. –

Mit herzlichen Grüßen von den Meinen treu ergeben

Ihr Eggeling.

Heinrich bleibt im Sommer bei uns in der Hoffnung, bei Ihnen arbeiten zu dürfen. Er soll erst im Herbst nach Heidelberg gehen. Beste Wünsche für Ihr Wohlergehen!

a eingef.: bei den; b gestr.: es

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
21.03.1890
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2617
ID
2617