Eggeling, Heinrich von

Heinrich von Eggeling an Ernst Haeckel, Jena, 12. September 1891

Jena 12/ IX 91

Lieber Freund!

Ihre gestern eingetroffenen Zeilen lassen mich endlich den Brief schreiben, der Ihnen schon so lange zugedacht war. Mit tiefem Bedauern hatten wir durch Heinrich erfahren, daß Sie durch Wiederkehr des alten Leidens hier festgehalten waren und schließlich genöthigt waren, die geplante Studienreise für dieses Jahr aufzugeben. Ich empfand ganz, wie schmerzlich Ihnen das sein mußte, und beabsichtigte, Ihnen mein Bedauern und die besten Wünsche für Ihr Wohlergehen, die meine Frau theilte, auszusprechen; aber die Kur in Tarasp und die unüberwindliche Faulheit, in welche dieselbe versetzt, ließen mich nicht zum Schreiben kommen. Jetzt mache ich mir Vorwürfe wegen dieser Nachlässigkeit und schäme || mich gar sehr! − Nun, gedacht haben wir Ihrer oft und in herzlicher Theilnahme. Das ist ganz gewiß! Aus Ihren freundlichen Zeilen ersehe ich mit großer Freude, daß die dortige Kur Ihnen wieder gut thut und daß diese guten Wirkungen schon so weit gediehen ist[!], um sie wieder Muth zu einer kleinen Forschungsreise fassen zu lassen. So recht von Herzen wünsche ich, daß der Störenfried Achilles bald ganz ab und zur Ruhe verwiesen sei und daß sie die beabsichtigte Reise an das Mittelmeer in voller Frische und Gesundheit unternehmen und mit rechtem Erfolg vollendten können!

Uns ist‘s in Tarasp, das ein wahrer Jugendbrunnen für mich ist, im Ganzen wieder gut gegangen. Meine Frau und Tochter hatten zwar die unter Einheimischen und Kurgästen sehr verbreitete Halsentzündung durchzumachen (es bestand der engste Verkehr auch unter Freunden mit allerlei Gurgelmitteln, Chlorkali, Salicyl etc. etc.) und meine || arme Frau wurde in letzter Zeit auch wieder von ihrem alten Leiden befallen, was für Sie mit der hohen Luft unzertrennlich verbunden zu sein scheint; indeß schließlich ging es Beiden doch wieder gut und wir verließen Tarasp bei herrlichstem Wetter am 28. August mit dem festen Vorsatze, im nächsten Jahre wieder zu kommen, wenn es uns sonst vergönnt sein wird. Wir verlebten dann noch einige wenige Tage in der großartigen Gebirgseinsamkeit auf der Frau von Heldburg gehörigen Saletalp an Königs- bezw. Obersee. In der reizend eingerichteten Hütte hausten wir mit dem Hausmeister Toni und der Magd Kathi, lebten von Conserven, frischen Saiblingen etc. etc., welche meine Frau und Tochter mit der Kathi zubereiteten, und genossen bei fast immer herrlichem Wetter die wunderbare Schönheit der dortigen Gegend in vollen Zügen. Theils Drang nach Arbeit, theils Klagen meines Sohnes über die Unzuverlässigkeit unserer || Dienerschaft ließen mich schon ein paar Tage vor Ablauf meines Urlaubs heimkehren (5t September). Nun sitze ich fleißig bei der Arbeit, die sich im Wesentlichen auf die Beschaffung der Mittel erstreckt, welche insbesondere für neuen Institute etc. neu gebraucht werden. Es kommt dabei Manches in Frage, die Einführung von Praktikantenbeiträgen und Institutsgebühren u. A. m. Hier ist es sehr still; von Universitätslehrern habe ich nur sehr wenige bisher gesehen. Seit gestern weilt Prinz Ernst bei uns, der mehrere Wochen bleiben wird, weil er mich zu malen beabsichtigt. −

Möchten Sie doch dort vom Wetter etwas begünstigt sein, wie wir es jetzt hier sind! Für die Arbeit wäre freilich besser, es regnete; denn es wird mir, zumal ich jetzt an vieles Laufen gewöhnt bin, sehr schwer, bei diesem prachtvollen Wetter im Zimmer zu sitzen. –

Meine Frau sendet mir die herzlichsten Grüße und besten Wünsche! Heinrich und Lottie schließen sich diesen nicht minder herzlich an. Für immer

Ihr treu ergebener

Eggeling.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
12.09.1891
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2599
ID
2599