Heinrich von Eggeling an Ernst Haeckel, Jena, 16. Februar 1890
Jena 16. Februar 1890
Hochverehrter lieber Herr Professor!
Wie ich auf das lebhafteste bedauert habe, Sie am Tage vor Ihrer Abreise trotz dreimaligen Versuchs nicht zu treffen und auch bei Ihrer Abreise einer Erkältung wegen nicht zur Bahn kommen zu können, so ist mir sehr leid, Ihnen unsere Grüße und Glückwünsche für das beginnende neue Lebensjahr nicht persönlich heute überbringen zu können. Nehmen Sie die verspätet zu Ihnen gelangenden Wünsche freundlich auf. Sie wissen, sie kommen aus treuen Herzen, die in aufrichtiger Verehrung an Ihnen hängen und Ihnen unwandelbar ergeben bleiben. Möchte in Ihrem Hause und in Ihrer Wirksamkeit im neuen Lebensjahr nur Freundliches beschieden sein und volle Befriedigung zu Theil werden!
Für Ihr gütiges Gedenken an meinen Geburtstag herzlichsten Dank! Sie haben mir durch || Ihren liebenswürdigen Brief eine überaus große Freude bereitet. Solch ein freundlicher ermunternder Zuruf von Ihnen wiegt tausend bittere Kränkungen auf, an welchen es mir nicht fehlt und nicht fehlen wird; indessen ich lasse mich durch sie nicht niederkriegen und werde sie vielmehr leicht ertragen, solange ich in meiner Wirksamkeit so freundschaftlich-wohlwollende Anerkennung finde, als sie in Ihren Zeilen ausgesprochen ist. Wir sind und bleiben in der Fürsorge für das Wohlergehen unserer theuren Universität verbunden! –
Wie gern hätten wir Sie gestern bei uns gesehen! Wir hatten noch hierauf gehofft, als Ihre Abreise auf Mitte Februar festgesetzt war; die Vertagung derselben betrübte uns sehr. Da ich, wie ich bei Fürbringers gefühlt, für größere Gesellschaften noch nicht kräftig genug bin, hatten wir nur Lorenz, Gaedechens und Rothe aus Weimar gegen Abend zum Essen geladen, dem sich || eine Partie Whist anschloß. –
Gestern Mittag wohnte ich der Probevorlesung ihres Herrn Neffen über chirurgische Behandlung des Gehirns bei; sie verlief zu voller Befriedigung. Möchte dem jungen Manne eine recht segensreiche akademische Wirksamkeit beschieden sein! –
Dort erfuhr ich die traurige Botschaft, welche ich unter schwerem Herzen nur Ihnen überbringe, die Nachricht, daß der arme Dr Walter am 14. Abends vollendet hat. Heimkehrend fand ich Kükenthal vor, der ganz niedergebeugt mir die näheren Mittheilungen brachte. Ich weiß, wie schmerzlich Sie durch diesen Verlust eines der tüchtigsten und strebsamsten Ihrer Schüler getroffen werden, und drücke Ihnen mit warmer Theilnahme die Hand. Es ist ein tragisches Geschick, nach Jahre langem rastlosen Arbeiten unter schwierigsten Verhältnissen im dem Momente aus dem Leben scheiden zu müssen, wo sich das Feld einer weiteren Wirksamkeit und der Verwerthung des Erworbenen eröffnet hat. ||
Kükenthal brachte mir die von Ihnen autorisirte Quartal-Gehaltsquittung, welche Walter nicht mehr unterzeichnet hatte, und bat mich um eine Verfügung an das Universitäts-Rent-Amt zur Auszahlung des Geldes, dessen die arme Schwester so dringend zur Bestreitung der Beerdigungskosten bedürfe. Ist nun auch Regel, daß Remunerationen nur bis zum Todestage gezahlt werden, so entsprach ich doch der vorgebrachten Bitte in der festen Ueberzeugung Ihres Einverständnisses und sind Sie einverstanden, so werden die Regierungen nichts dagegen haben.
Mit Ihnen werden wir des armen Walter unser Leben lang treu gedenken!˗
Prof. Thon erzählte mir gestern, daß von der Wegberufung der halben medicinischen Facultät die Rede sei: Riedl (Halle), Binswanger (?), Kuhnt und Vierordt (Heidelberg). Nun, wir wollen es in Ruhe abwarten. ˗ a
Auf die Weiterverfolgung der Frage des Tisches in der zoologischen Station istb einstweilen verzichtet; Serenissimusc soll aber sehr niedergeschlagen darüber sein und ist wünschenswerth, daß Serenissimus nicht etwa erinnert wird. Dieses vertraulich!
Mit den herzlichsten Grüßen und unseren besten Wünschen für Ihr Wohlergehen
Ihr treuer Eggeling.
a gestr.: Xxx; b eingef.: ist; c eingef.: S.