Eggeling, Heinrich von

Heinrich von Eggeling an Ernst Haeckel, Jena, 30. März 1887

Jena d. 30. März 1887

Hochverehrter Herr Professor!

Zuerst herzlichsten Dank für Ihre freundlichen Zeilen aus Beirut, welche nach 10 tägiger Fahrt mir am 27. dieses Monats zugingen. Oft, sehr oft haben wir Ihrer gedacht und so begrüßten wir denn mit lebhafter Freude, Neues von Ihnen über Ihre Reise zu hören und an Ihren Erlebnissen theilnehmen zu können, so weit das ein Brief gestattet. Sind Sie erst wieder bei uns, nun da harren im Hause Eggeling wissbegierige und aufmerksame Hörer auf Ihre Erzählungen! –

Für Ihren Besuch bei meiner Cousine B. Kayser bin ich Ihnen besonders dankbar. Von ihr erhielt ich ebenfalls am 27. dieses Monats einen || Brief, in welchem sie ihre große Freude über Ihren Besuch aussprach. – Auf das Leben dieser früh verwaisten Tochter eines Landgeistlichen blicke ich mit stiller Bewunderung. Wie viel Schweres hat sie durchmachen, wie viel Entsagung üben müssen, seitdem sie vor 25 Jahren als unerfahrenes junges Mädchen in die ferne und so fremde Welt hinauszog, und in wie harten Kämpfen steht sie noch immer! Ihr Glaube allein hat ihr die Kraft gegeben, alles Schwere glücklich zu tragen und die sich ihr entgegen stellenden Schwierig- und Widrig- keiten glücklich zu überwinden. –

Könnte ich Sie, lieber Herr Professor, überhaupt beneiden, so thäte ich es jetzt im Gedanken daran, in wie wohltuendem Klima Sie leben! Trotz der fortgeschrittenen Jahres||zeit seufzen wir noch immer unter der Ungunst nördlichen Winters. Durch ein rheumatisch katarhalisches Leiden bin ich seit drei Wochen fest an das Zimmer gebunden. Ich sah die neu gefallenen Schneemassen auch wieder verschwinden, sah vom Fenster aus die Schneeglöckchen im Garten sprießen – das Erste, was unser Garten uns bietet – und da − heute sind wieder alle Thalwände ganz weiß und es schneit, als wären wir im December. Es ist zum Verzweifeln; ich hatte mich schon auf das Ausgehen gefreut, aber Xxx will mich erst hinaus lassen, wenn mildere Witterung eingetreten ist. Unter sothanen Verhältnissen höre ich von der Welt wenig, nur was etwa Lorenz, Brüger, Liebmann mir mittheilen, welche mich getreulich besuchen. Wohltuend ist wenigstens, daß ich jetzt || wieder etwas arbeiten kann, wozu ich 14 Tage lang gar nicht fähig. Doch genug der Klagen! – Ich freue mich herzlich, daß es Ihnen gut geht und wünsche nichts mehr, als daß Sie sich dauernd wohl befinden und recht erquickt und erfrischt zu uns heimkehren! –

Uebermorgen wird nun das Prorectorat an Nippold übergehen. Ich denke mir der Vorgänger wird froh sein, die Würde und Bürde abzugeben, die ihm dieses Mal doch mancherlei Unannehmlichkeiten gebracht hat. Doch ich will die schönen Eindrücke, unter welchen Sie jetzt leben, nicht mit derartigen kleinlichen Geschichten stören. Sie würden doch nur lächeln und kein Interesse dafür haben. ‒

Von Dr. Walther hatte ich auch einen Brief. Er schrieb von Cairo aus, nachdem er seine || Wüstenexpeditionen oder einen Theil derselben bereits glücklich hinter sich. Mit den Ergebnissen seiner Untersuchungen ist er sehr zufrieden. Er rüstete sich gerade zu einer neuen Tour nach Arabia petraea; seine Rückkehr wird erst im Mai erfolgen.

Thon‘s sind seit Anfang des Monats in Italien. Bald nachher reiste auch Delbrück mit Frau dahin ab. Delbrück war durch die erlittene Niederlage in der Wahlschlacht sehr deprimirt, mehr als ich erwartet hatte, und meinte nun, das für die Reichstagssitzungen bestimmte Geld könne nicht besser als zu einer Reise nach den gelobten Länder Italiensa angelegt werden.

Ueber das Ergebnis der Reichstagswahlen werden auch Sie sich gefreut haben. Bismarck hat wieder einmal den richtigen Zeitpunkt || wahrgenommen. Ich habe gehört, daß man an hervorragender Stelle vonb ihm schon früher die Auflösung des Reichstags mit der stets widerstrebenden Majorität erwartet habe; aber Bismarck wartete, bis er des Erfolgs sicher war. Wie man nur diesen Mann, den ein gütiges Geschick unserem Volk gesandt hat, nicht in allen Dingen der Politik und der Staatsleitung vertrauen mag! –

Auch Anhänger, Freunde wurden stutzig, als Bismarck im Kulturkampfe einlenkte; sie wußten sich solches Verhalten nicht zu erklären, sprachen von Schwäche, die sich hierin zu erkennen gebe, von „seniler Schwäche“, wie Böthling sagte. Und wie gerechtfertigt steht Bismarck jetzt da durch die Veröffentlichungen über Ursache und Entwickelung des Kulturkampfes, welche die Norddeutsche || Allgemeine Zeitung jetzt gebracht hat! – Möchte der „senile“ Mann uns noch recht lange unseres Vaterlandes Sache zu führen haben! –

An der Feier des 22. März, die überall in Deutschland eine großartige, herzerhebende gewesen ist, habe ich leider gar nicht theilnehmen können. Die Anstrengungen des Tages hatten auf das Befinden des Kaisers nachtheilig gewirkt. Nach neuesten Nachrichten aber geht es besser.

Die Kriegsgerüchte sind ziemlich verklungen; nur ab und zu spukt es ein bischen wieder. Ich hoffe und wünsche, daß der Friede uns erhalten bleibt und daß Sie in voller Ruhe Ihre schöne Reise vollenden können! In Rhodos und Athalia werden Sie hoffentlich reiche Ausbeute finden. –

Mit den besten Wünschen für Ihr Wohlergehen und mit herzlichen Grüßen von meiner Frau

Ihr treu ergebener

Eggeling.

a eingef.: Italiens; b eingef.: von

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
30.03.1887
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2581
ID
2581