Merkel, Christiane

Christiane Merkel an Ernst Haeckel, Halle, 3. Juli 1867

Halle den 3ten Juli 1867.

Werthester Herr Proffessor!

Meinen herzlichsten, innigsten Glückwunsch zu Ihrer Verlobung, über die ich und wir alle uns herzlich freuten als wir die Nachricht erhielten.

Wie sehr ich mich gefreut haben würde, wenn ich Zuhause gewesen wäre, als Sie so gütig waren und mich mit Ihrem Besuch beehren wollten, brauche ich Ihnen gewiß nicht erst zu versichern; aber wie leid es mir that, als ich einige Tage später auf einige Stunden nach Merseburg kam und hörte, daß Sie a wärend [!] meiner Abwesenheit in Merseburg gewesen waren und auch auf unserer alten Hütte, kann ich nicht beschreiben. Im Februar reiste ich nach Reppen zu Carl, und blieb einige Tage bei || Ihren lieben Eltern. Diese erzählten mir, daß Sie den Winter auf den Canarischen Inseln zugebracht und Frau Ober-Reg. Räthin las mir einige Briefe von Ihnen vor. Ich freue mich, daß Sie mit Gottes Hülfe alle Gefahren und Mühselichkeiten der Reise glücklich überstanden, und gesund und wohlbehalten wieder in die liebe Heimath zurück gekehrt sind; und mein innigster Wunsch ist, daß Sie auch ferner gesund bleiben und Gott Ihnen Glück und Seegen geben möge zu allem was Sie thun. Meinen herzlichsten Dank für die Stammbäume, die Sie so gütig waren mir zu schicken, es macht mir und auch August und Ernst viel Freude, aber wie viel Mühe und Nachdenken mag es Ihnen gekostet haben.

Bester Herr Proffessor, noch immer bin ich hier in Halle, denn mein armer August ist seit 5 Wochen, wo er wieder hier angekommen ist recht krank. Er geht zwar bei schönem Wetter bis auf den Hof, || wo er sich ein hübsches Gärtchen angelegt hat, und sitzt da den Tag über einige Stunden, aber er ist sehr angegriffen, und matt und hat viel Schmerzen und viel Husten.

Vorige Woche hat er 4 Nächte hinter ein ander nicht geschlafen, Sie können leicht denken, wie ihn das alles angreift, und dazu hat auch noch seit 14 Tagen Zahnschmerz. Wie mir dabei zu Muthe ist kann ich nicht beschreiben. August und Minchen (meine Schwiegertochter) senden Ihnen und Ihrem Fräulein Braut die herzlichsten Grüße und Glückwünsche. August wollte immer selbst schreiben, doch der Arzt hat ihm das Schreiben verboten, und deshalb bittet er um Entschuldigung, daß er es unterlassen mußte, und daß unsere Glückwünsche so spät erst kommen. Er hat mir gesagt, daß er schon früher längst sich vorgenommen hatte Ihnen zu schreiben, auch hätte er Sie im vorigen Sommer gern auf einen Tag besucht, er hatte sich immer so darauf gefreut, aber immer ist etwas dazwischen gekommen. Ach es ist || ja schon seit Jahren gar nicht gut mit ihm gegangen, wenn es auch zuweilen besser ging, so dauerte es doch immer nicht lange und die Krankheit trat immer heftiger auf. Denken Sie Sich in Nizza und Mentone, wo er mit Frau und Kind vorigen Winter war, habe die Ärzte ihm gesagt: der Untersuchung nach könnte er nur noch einige Wochen leben, aber seinem Aussehen und seiner Sprache nach, könnte er sich wieder erholen. Er hat sich darüber viel Sorgen gemacht, denn obgleich er längst weiß, daß er in großer Gefahr ist, so war ihm der Gedanke: so weit von der Heimath entfernt zu sein und am Ende gar ernstlich krank zu werden ehe er wieder hierher zurückkehren könnte, sehr beunruhigend. Später, (seit Ostern) waren sie noch 4 Wochen in Vevey, dort hatte er Dr. Carrad, der nur für Brustkranke ist, der hat ihm gesagt: die linke Seite wäre noch ziemlich gesund. Ende Mai kam er zurück, ich reiste ihnen bis Wiesbaden entgegenb, wo sie bleiben wollten, bis || es hier ordentlich warm wäre; doch unglücklicher Weise war es dort auch recht kalt in den Tagen, und er hat sich dort erkältet, hat einen neuen Lungenkathar bekommen und Zahnschmerz, und von da an schwitzt er wieder die Nächte. Aber ich habe Ihnen recht viel vorgeklagt, und bitte um Entschuldigung. Ernst dient jetzt hier, seit Ostern, als Freiwilliger, Otto arbeitet in Zürich als Vollontair bei einem Baumeister, er hat voriges Jahr sein Meisterexamen gemacht.

Carl hat sich im März verheirathet und Klotzens sind Gott sei Dank wohl und sind noch in Mühlhausen. Von Marie erhielt ich gestern einen Brief und ich erlaube mir ihre Karte c beizulegen. Ich hätte Zuhause vielmehr Angst als hier und wenn ich nur einen Tag in Merseburg bin habe ich schon Angst und Sehnsucht und so bleibe ich lieber jetzt noch einige Zeit hier, bis es mit Gottes Hülfe mit August wieder besser geht. Nun Gott sei Dank, seit || Sonntag geht es besser, und wir wollen das Beste hoffen. In einigen Tagen will ich wieder ein mal nach Merseburg weil ich da manches zu besorgen habe und da will ich auch an Frau Ober-Reg. Räthin schreiben und meine große Schuld abtragen. Ich habe neulich von Karo’s gehört, daß Ihre lieben Eltern jetzt in Jena sind, ich bitte dieselben vielmals zu grüßen.

Nochmals meinen herzlichsten Gruß und Glückwünsch von

Ihrer

ergebensten

Ch. verw. Merkel.

a gestr.: hier; b eingef.: entgegen; c gestr.: und

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.07.1867
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 25265
ID
25265