Nebuschka, Marie Luise

Marie Luise Nebuschka an Ernst Haeckel, Dresden, 19. März 1919

19.3.19.

Dresden-Klotzsche

Bahnhofstr. 8.

Liebste, teuerste Exzellenz!

Daß ich nicht gleich schrieb, verzeihen mir Exzellenz bitte, aber ich muste [!] erst ruhiger werden über all Ihre traurigen Mitteilungen, die mich sehr schmerzlich berührt haben.

Ich habe seither oft in den Nächten darüber nachgedacht, wie ich Ihnen helfen möchte wieder froh zu sein u. mutig u. voll Hoffnung trotz allem.

So viel Liebes möchte ich Ihnen erweisen, viel Freude geben, Sie dürften über all das Hässliche jetzt garnicht nachdenken.

Könnt ich es auslöschen u. Sie auf hohen, sonnigen Bergen gesund machen, wie glücklich wäre ich dann. ||

Ich leide sehr darunter, daß all meine schönen Pläne u. Gedanken, die Sie, teure Exzellenz, glücklich wissen möchten, immer an dem einen leidigen Fakt scheitern. Mein ganzes Leben scheint daran zu Grunde gehen zu wollen. Immer nur kann ich mit Worten meinen Gedanken für Sie Ausdruck geben, immer nur contrair zu Ihren schwarzen Todesgedanken Gesundheit u. Glück u. Daseinsfreude wünschen.

Sicher alle, die das große Glück hatten, Exzellenz persönlich kennen zu lernen werden sich diesem Wunsche anschliessen; denn der Zauber Ihrer Persönlichkeit, Ihre Güte u. Größe überstrahlen doch alles, was Schrift garnicht auszudrücken vermag. Das wird unvergessen bleiben – in uns. –

Wenn ich erst über mich selbst u. meine Sehnsuchten hinweg bin, wenn Jahre mich reifer gemacht haben u. fester im Denken, vor allem reif für Ihre großen Werke, dann wird mir meine Feigheit, mir nicht einen Platz in Ihrer Nähe erkämpft zu haben so recht als große Torheit erscheinen; denn nie wäre es ein Opfer gewesen || Ihnen etwas zu sein, sondern täg[Ausriss] große Freude, eine Aufgabe, deren Schö[Ausriss] ich mir voll bewust [!] war.

Lebensfreude und meine Jugend hätten doch viel dazu beigetragen, Exzellenz das jetzige Dasein nicht ganz so pessimistisch anschauen zu lassen, vielleicht auch Ihre letzten Schriften, besonders die Biographie freundlich zu gestalten, Ihren indischen Reisebriefen gleich, die mich so sehr entzückt.

Ist es töricht von mir so zu denken, bitte ich um Verzeihung.

Ich wollte der scheidenden Sonne die Wolken verscheuchen, damit sie groß u. strahlend untergehe im unergründlichen Weltmeer, so wie sie uns am hellsten Mittag leuchtete.

Es war der Wunsch, aus Liebe u. Verehrung zu geben, aus Dankbarkeit für all das Große u. Schöne, was ich durch Exzellenz erkannt.

Sagen Sie mir bitte keine Antwort auf diese Wünsche. Es berührt mich stets schmerzlich, weil sie trotz ihrer Stärke u. Ausdauer unerfüllt geblieben sind. ||

[Ausriss]ieben, lieben Zeilen an mich meinen innigsten Dank.

Und wenn ich wirklich offen einen Wunsch aussprechen soll, so erlaube ich mir hier zu sagen, daß ein Bild, von Ihrer Hand gemalt von Jena, wo ich meine schönsten Tage verlebt, mich sehr glücklich machen würde, wenn mich Exzellenz einer so großen Gabe für wert halten.

Meine kleinen Aufmerksamkeiten sollen Exzellenz nur meine große Verehrung, Liebe u. Dankbarkeit bezeugen; Ihre Freude darüber macht mich sehr glücklich. –

Zum Schluss darf ich Ihnen raten, für Ihr armes krankes Bein bitte einen „Magnetiseur“ zu nehmen, das vermag viel, glauben Sie mir u. Exzellenz werden dann doch sicher wieder ein wenig laufen können, besser als jetzt. Dann kommt auch alle Freude wieder durch die Natur, derer Sie doch unbedingt bedürfen.

Möchte Sie der sonnige Frühling draussen ganz gesund machen, das ist mein größter Wunsch.

Mit größter Hochachtung

Ihre ganz ergebene, dankbare Ml. Nebuschka.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
19.03.1919
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 24006
ID
24006