Nebuschka, Marie Luise

Marie Luise Nebuschka an Ernst Haeckel, Dornburg, 24. August 1917

Dornburg 24.8.17

Hochverehrte Exzellenz!

Durch Ihre Güte schwelge ich hier in den höchsten Genüssen u. wünsche mir nur eins, immer, oder wenigstens längere Zeit hier zu bleiben, um all das Schöne, was mich hier umgibt, besser genießen zu können.

Ich sitze hier auf der Bank, wo Goethe das schöne Gedicht „An den Mond“ geschrieben hat. Ach, es ist alles hier so schön, so lieblich, daß ich alle meine Sorgen vergesse.

Ich denke mir, Exzellenz sitzen hier neben mir u. in diesem Gedanken erlaube ich mir das zu schreiben. Exzellenz sind hier immer bei mir u. das macht alles doppelt schön.

Wie schade, daß ich nicht genug Geld habe mich ernähren zu können, dann wüste [!] ich schon, was ich am liebsten möchte. ||

Ob es Exzellenz brauchen könnten, weiß ich ja nicht, aber es wäre himmlisch schön. Hier in der herrlichen Natur, losgelöst von allem Kleinlichen, umgeben von Goethe-Zauber wage ich, es Exzellenz zu schreiben. Ich möchte Ihre persönliche Stütze u. Hilfe sein, Ihnen helfen die Schreibereien zu erledigen, soweit ich vermag u. alle Gänge für Sie tun u. alles vorlesen, kurz, ganz herrlich für Exzellenz sorgen u. Ihnen helfen. Ich möchte gern stundenweit laufen, um alles Fehlende zu schaffen.

Wenn das doch ginge! –

Ich möchte Exzellenz bald die Sterbegedanken über die Berge treiben. – Wie sehr kann ich jetzt Exzellenz nachfühlen, daß Sie Jena allem andern vorziehen. – –

Mit klopfendem Herzen u. – vor manchem noch recht dumm betrat ich heut früh zum erstenmale Ihr Museum. ||

Ich danke Exzellenz auch besonders dafür, daß ich mir die großen, prachtvollen Gemälde ansehen durfte.

Was waren das alles für Augenblicke! – Danach habe ich dem Theaterdirektor hier einen kleinen Besuch abgestattet.

Es tat ihm direkt leid, daß er sein Personal schon hat, er hätte mich gern engagiert u. ich hätte gleich ja u. amen gesagt, nur um in Jena zu sein.

Wie viel könnte ich hier noch lernen, wie viel fesselt mich hier. Ordentlich Lust zum arbeiten bekommt man hier; ein Städtchen, wie geschaffen, zum studieren. –

– Ich bin mit dem 6 Uhr Zug zurückgefahren um Exzellenz die duftenden Grüße aus dem Schloßpark in Dornburg recht frisch zu senden u. um noch auf ein Bergli [!] zu laufen, um von dort aus Exzellenz eine recht gute Nacht || zu wünschen.

Hoffentlich schlafen Exzellenz dann besser. Morgen nach 9 Uhr werde ich mir dann erlauben vorzusprechen, wie Exzellenz gestatteten.

Darf ich dann am Sonntag nachmittag nicht das Glück haben, mit Exzellenz einen kleinen Weg zu unternehmen? Das wäre so schön!

Mit größter Hochachtung

Ihre dankbare

ergebene

Maria Luise Nebuschka.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
24.08.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 23997
ID
23997