Nebuschka, Marie Luise

Marie Luise Nebuschka an Ernst Haeckel, Dresden, 11. September 1916

11.9.16.

Dresden-Klotzsche

Bahnhofstr. 8.

Hochverehrte Exzellenz!

Da sich meine Gedanken ja meist mit Ihren Welträtseln beschäftigen, besonders in der schönen Natur draußen, die uns jetzt mit so eigenem Zauber umgibt, erinnere ich mich, daß Exzellenz in diesem Monat vor 12 Jahren in Rom die 30 monistischen Thesen am Denkmal von Giordano-Bruno niedergelegt haben. Zur Erinnerung an diese großen Tage erlaube ich mir ein kleines Gedicht beizulegen, wie es mir gerade ums Herz war.

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Hoffentlich habe ich Exzellenz durch || meine langen nervösen Schreiben nicht erzürnt oder gar, wenn auch unbewußt, Missfallen erregt.

Ich werde es gewiß nie mehr wagen, Exzellenz mit meiner wild durcheinander tobenden Phantasie zu belästigen. Exzellenz sind ja so groß, Sie werden einem so kleinen Menschenkind, das durch Ihre Werke neue Lebensfreude u. Mut gefunden u. sich an Ihrem großen Leben Halt u. Stütze für die Zukunft sucht, manche Schwäche verzeihen können.

Guten Willen, mich zu verbessern, habe ich ja. – Ich möchte gern ganz in Ihrer Lehre aufgehen. –

Wie freue ich mich dies Jahr auf den Herbst u. Winter. Ins Engagement gehen ist ja für mich, solange es Kriegsgage gibt unmöglich, u. so bleibe || ich zu Haus, werde oft das zoologische Museum besuchen u. mich so u. durch lesen etwas vorwärts bringen.

Schade, daß ich so wenig Sprachentalent habe, ich würde so gern Latein studieren, damit ich ohne das störende Nachschlagen im Lexikon, alles besser in mich aufnehmen könnte. –

Es hat mich nun mal erfasst, u. es ist das Erste was mich ganz ausfüllt, mich täglich neu belebt.

Und all das Schöne darf ich Ihnen, Exzellenz, danken, darf mir so oft ich will Ihre lieben Bilder anschauen u. höre in Gedanken Ihre Stimme, die ich mir unendlich wohllautend vorstelle.

Bin ich nicht glücklich! – – –

Verzeihung, Exzellenz, daß ich nun schon wieder schrieb, aber ich wollte || Ihnen so gern die wenigen Verse, die mir gestern an einem herrlich schönem Tag einfielen, als kleines Zeichen meiner Dankbarkeit u. Verehrung senden.

Mit größter Hochachtung

Ihre ganz ergebene, dankbare

Lissi Nebuschka.

[Beilage siehe EHA Jena, A 23980, Online-ID 23980]

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
11.09.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 23991
ID
23991