Wilhelm Ostwald an Ernst Haeckel, Grossbothen, 30. Dezember 1911
Dr. Wilh. Ostwald
Gross-Bothen, Kgr. Sachsen
Landhaus Energie
30.12.11
Lieber und verehrter Freund:
Gestatten Sie mir, dass ich Ihr freundliches Geschenk in gleicher Weise erwidere, indem ich Ihnen ein Bild von mir übersende. Es darf Sie vielleicht an die wunderschöne Tatsache einer in hohem Alter neu geschlossenen Freundschaft erinnern, welche fast wie die berühmte „Liebe auf den ersten Blick“ entstanden ist und alsbald, das dürfen wir beide sagen, reiche Frucht getragen hat.
An unserem Gedenktage, dem 26. 12. war ich über Nacht schmerzhaft erkrankt, so dass ich stumpfsinnig auf dem Divan lag und an nichts denken mochte. Das ging bald vorüber, doch habe ich noch einige Tage mich vor jeder ernsthaften Beschäftigung gehütet. Seit gestern bin ich wieder wohlauf und bin daran gegangen, den inzwischen auf meinem Schreibtisch entstandenen Turm unerledigter Briefe abzubauen. So bitte ich zu verzeihen, dass ich Ihnen || nicht am 26. geschrieben habe. Sie werden meine herzlichen Wünsche auf baldige und gedeihliche Besserung Ihrer Gesundheit darum nicht weniger freundlich aufnehmen.
Ich sehne mich recht nach Sonne und landschaftlicher Schönheit. Was würden Sie, der Sie
so viel von der Welt kennen, mir für Januar oder Februar empfehlen?
Viele herzliche Grüsse
Ihr ganz ergebener
W Ostwald