Wilhelm Ostwald an Ernst Haeckel, Grossbothen, 29. Dezember 1910
Dr. Wilh. Ostwald
Gross-Bothen, Kgr. Sachsen
Landhaus Energie
29.12.10
Sehr verehrter Herr Kollege:
Neulich hatte ich vergessen, Ihnen das Ms. des Hrn. Bettes mitzubringen. Ich halte es für
wertlos, da es elementare physikalische Irrtümer enthält.
Was die Frage des Jenaer Philosophen anlangt, so ist mir kein geeigneter Biologe eingefallen;
ohnedies kennen Sie diese Gruppe viel besser als ich. Dagegen kann ich einen Mathematiker
nennen, der s. Z. von Mach für Dresden (techn. Hochschule) dringend empfohlen wurde, nämlich J. Petzold, Gymnasialprofessor in Potsdam. Er hat sich durch mehrere sehr gediegene Schriften (Maximum, Minimum, Oekonomie etc) ausgezeichnet und nimmt eine anerkannte wissenschaftliche Stellung unter den Philosophen ein. Sein Alter ist allerdings wohl 50 oder darüber.
Was endlich Ihren so sehr ehrenvollen Vorschlag anlangt, dass ich den Vorsitz im Monisten-
Bunde || übernehmen soll, so haben nach mancherlei Überlegungen die positiven Faktoren gesiegt und ich erkläre meine grundsätzliche Bereitwilligkeit dazu, falls das Vertrauen einer erheblichen Majorität im Bunde mich dazu beruft. Zu diesem Zweck bitte ich gleichzeitig, zunächst meinen Eintritt in den Bund entgegenzunehmen und das Erforderliche zu veranlassen, bzw. mir anzugeben.
Mit vielen Grüssen Ihr ganz ergebener
W Ostwald