Hein, Reinhold

Reinold Hein an Ernst Haeckel, Danzig, 6. April 1863

Mein lieber Häckel!

Du wirst Dich wundern, von mir wieder einige Zeilen zu erhalten, die allerdings wieder einer Bitte ihre Entstehung verdanken. Ich wollte Dich nämlich um euren neuen Lectionskatalog bitten und zugleich anfragen, ob Du es auch für rathsam hältst, einen jugendlichen Mediziner für die ersten Semester in Deine Musenstadt zu senden? – Besonders weiß ich nicht, wie es bei euch mit der Chemie und einem Laboratorium bestellt ist? – Ferner möchte ich wohl wissen, ob die Kollegiengelder einem Ausländer (Preußen) auch gestundet werden können, und wie viel ein Fuchs bei euch nothwendig zum Lebena pro anno braucht? Du entschuldigst so viele Fragen, die ich nur thue in der Hoffnung, daß sie Dir leicht mit einigen Federstrichen zu beantworten sind. || Ich möchte meinem Landsmanne nicht gern einen schlechten oder unvollkommenen Rath geben, und da er ein braver Mensch zu werden verspricht, hoffe ich, daß Du ihm – einem Stud. Scheele – auch Deinen väterlichen Rath wirst angedeihen lassen. –

Ich habe von Dir lange nichts gehört und kann in meiner ultima Tule nicht einmal dahinter kommen, ob Du nun wirklich verheirathet bist, oder ob ich von Deiner großen Hochzeitsreise nur geträumt habe? Im ersten Falle bitte ich mich Deiner lieben Frau bestens zu empfehlen, wenn sie sich meiner noch aus Berlin erinnert.

Mir ist es in letzter Zeit schlecht gegangen, indem ich in voriger Woche in Folge vielfacher Anstrengungen fieberhaft erkrankte. Glücklicherweise habe ich || nicht lange gelegen und bin zwar noch marode, habe aber doch heute schon wieder 17 Besuche gemacht. Sonst muß ich oft das Doppelte 34–35 pro Tag absolviren. Sonst geht es mir gut. Meine kleine Elsbeth, die nun 10 Monate alt wird, ist zwar zart u. fein, aber gesund und sehr geistig rege. – Neulich hatte ich einen langen Brief von Schuler. Der wartet noch immer auf Nachkommenschaft, hat aber die größte Praxis im Kanton (c. 10.000 Francs) und hofft, nachdem er sein Sümmchen inʼs Trockne gebracht, nicht als Arzt, sondern als öffentlicher Beamter der Republik seine Tage ehrenvoll zu beschließen. Seine Eltern hat er in sein Haus aufgenommen, das nun sehr hübsch und schuldenfrei ist – welches Letztere ich von meinem Hause leider nicht behaupten kann. Ich muß auch noch manches darin bauen, wohne aber sonst recht hübsch und sehr freundlich. – ||

Wie geht es denn dem Gerhardt? Seht ihr euch oft? u. erinnert er sich noch meiner? Er ist ein tüchtiger Kopf u. hat viel geleistet in kurzer Zeit; möchte ihm nun doch auch das Herz warm werden! – Grüße ihn freundlich von mir, ebenso Deine lieben Eltern, wenn Du an sie schreibst. Dein Papa soll noch immer sehr rüstig sein, wie Wilhelm schrieb, der ihn vor längerer Zeit besuchte. – Wilhelm befindet sich sehr wohl in Berlin, wird das Physikats Examen machen und es ist ihm nur zu wünschen, daß er so rasch weiter komme, wie bisher. –

Nun lebe wohl, lieber Freund, und nimm aus meinen Fragen Veranlassung mir recht bald zu schreiben. Den Katalog bitte unter Kreuzband zu schicken. –

In alter Liebe

Dein Freund

Reinold Hein.

Danzig d. 6ten April 63.

a eingef.: zum Leben

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.04.1863
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 23510
ID
23510