Hein, Reinhold

Reinold Hein an Ernst Haeckel, [Danzig, Juni 1861]

Mein lieber Häckel!

Endlich komme ich dazu einen, seit mehreren Wochen gesagten, Vorsatz auszuführen und an Dich noch einmal zu schreiben. Ich vermuthe nämlich, daß ein früherer Brief, sowie auch eine mündliche Bestellung, um die ich unsere Freundin Luise Lachmann gebeten hatte, nicht an Dich gelangt sind. Ich riskire es deshalb noch einmal unter der Addresse Deines lieben Vaters, Dir ein Ereigniß mitzutheilen, von dem Du möglicherweise schon durch die Zeitungen Kenntniß erhalten hast. Ich habe mich nämlich im April – – – ver – lobt! – Du wirst Dich wundern, daß mein starres Herz zum Schmelzen gebracht ist, aber Deine Verwunderung würde nachlassen, wenn Du die liebenswürdige Helene kennen lerntest, die diesen Schmelzprozeß zu Stande gebracht hat. Sie ist die Tochter des Gymnasialdirektors Lehmann in Marienwerder u. ich habe sie hier bei öfteren Besuchen in einer || befreundeten Familie kennen gelernt – mich verliebt – verlobt und werde im Herbst auch heirathen. So werde ich in meiner Liebschaft Dir am Ende noch den Vorrang ablaufen. Freilich fangen wir klein an, da wir ganz auf unsere eigene Kraft angewiesen sind, aber wir haben Courage und meine Helene ist so anspruchslos, lustig und geschickt in allen häuslichen Dingen, daß ich hoffe, wir werden leicht und glücklich miteinander durch das Leben gehen. – Ich hatte diese Mittheilung schon lange an die Lachmann gemacht, mit der Bitte, es Dir und Deinen Eltern mitzutheilen, weil ich an meine genaueren Bekannten nicht förmliche Anzeigen senden mochte u. es überhaupt auf meinen dringenden Wunsch in den Zeitungen „statt besonderer Meldung“ angezeigt wurde. Hoffentlich wirst Du diese Mittheilung an Deine lieben Eltern nicht versäumen, denn ich bewahre sie in treuem, dankbarem Andenken, und hoffe, || daß auch sie noch wiea früher an meinem Schicksal freundlichen Antheil nehmen werden. – Ich bitte Dich überhaupt, mir endlich etwas über Deine lieben Eltern, so wie über Deinen eigenen Lebenswandel, über Deine Braut, Deine schriftstellerische Thätigkeit, Deine Vorlesungen zu berichten. Ich vermuthe nämlich, daß Du Dich in Jena bereits mit Ruhm bedeckest und die Professur so gut wie in der Tasche hast. –

Mir geht es natürlich jetzt sehr gut, und ich habe jetzt herrliche, fröhliche Feiertage in Marienwerder verlebt. Jetzt bin ich wieder allein, ziehe den schönen Karren der Praxis cuprea u. hoffe sehnlichst, daß sie sich bald in eine argentea raschertinea aurea umwandeln möge. Jedenfalls habe ich mehr Muth zu wagen, als Du in Betreff des Heirathens, denn ich sehe garnicht ein, warum Du nicht endlich zum Schlusse kommst? –

In unserm alten Danzig, das Dir ja auch bekannt ist, hat sich nichts Wesentliches verändert, nur || die Menschen werden älter und theils schwächer theils vernünftiger. So ist es auch in unserm Hause. Nämlich vernünftiger bin ich geworden, weil ich heirathen werde, und älter u. schwächer sind meine guten Eltern, die sich das Leben in mancher Beziehung sauer machen, weil sie nicht die Ruhe haben zu resigniren auf eine schaffende Thätigkeit und den Rest ihrer Tage beschaulich zu genießen. Freilich fehlt auch etwas der nervus rerum dazu, und das ist immer das Leiden bei den alten Aerzten. – Von einigen Freunden – namentlich Strube u. Braune – habe ich freundliche Glückwünsche erhalten, ebenso von Frau Mayer aus Meran; sie hofft noch bei günstigem Wetter ihren August bis Berlin bringen zu können. –

Nun bitte ich Dich nochmals, vergiß mich nicht ganz, und schreibe, wenn auch nur in Kürze an Deinen alten Freund

Reinold Hein.

a eingef.: wie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
??.06.1861
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 23508
ID
23508