Finsterbusch, Ludwig

Ludwig Finsterbusch an Ernst Haeckel, Mülheim an der Ruhr, 7. Februar 1876

Mülheim a/d Ruhr, den 7. Febr. 1876.

Lieber alter Freund!

Meinen herzlichsten Dank für diese schöne Überraschung, für einen so zärtlichen Beweis Deiner Freundschaft. Freilich habe ich die VI. Auflage Deiner Schöpfungsgeschichte erhalten und bei der Lectüre Deiner gedacht und Dir gedankt; leider aber schriftlich es noch nicht zu Stande gebracht. Um so exacter will ich diesmal meinen Dank aussprechen, allerdings recht bettelwenig gegenüber den herrlichen Farben-Drucktafeln.

Natürlich werde ich nach Dortmund hinüber kommen. Aber, alter Schwede, noch eins! Wenn || Du nach Dortmund eines Vortrages halber kommst, so könntest Du auch hierher nach Mülheim a/d Ruhr kommen; und zwar so, daß Du an 2 hinter einander folgenden Abenden in Dortmund u. hier oder umgekehrt einen Vortrag hieltest. Ob Du denselben Vortrag für beide Städte, oder einen andern nähmen würdest, wäre einfach Deine Sache, aber populär muß er seina – Auf die Weise kostete es Dir nicht viel mehr Zeit, u. Du machtest Dich auch hier in unserer Gegend bekannt, so nahe bei der alten Universitätsstadt Duisburg, von wo sicherlich (¼ Stunde per Bahn) Verehrer Deiner Werke einfinden würden.

Würdest Du darauf einzugehen in abstractob kein Bedenken tragen, so schreibe mir den Preis, für welchen Du in Dortmund, oder überhaupt liesest, und dann || werde ich sehen, ob dieser meinem Gehirne entsprungene Gedanke sich realisiren läßt.

Mir geht‘s gut, nur habe ich viel zu thun; Director Gruhl hat sich nach seinem gastrischen Fieber im Sommer zwar erholt, u. unterrichtet seit dem 2. November wieder, aber er muß sich noch sehr schonen, und z.B. im literarischen und im Gewerbevereine, so wie im deutschen, hat er den Präsidentenstuhl noch nicht wieder ausfüllen können; und zwei von diesen bescheidenen Plätzen sind mir zugefallen, wodurch ich aber allerdings mancherlei Mehr-Arbeit habe. Seit Neujahr haben sich auch zwischen 20 u. 30 Elementarlehrer c von hier u. nächster Landumgegend zusammengethan, um ihre Kenntnisse, die sie aus den Müller-Raumerschen Seminarien mitgebracht || haben, zu erweitern, etwa im Sinne der Anforderungen der Falkeʼschen Mittelschul-Lehrer-Examinas; u. habe ich auf ihren Antrag den deutschen Kursus (in Literatur u. Grammatik) übernommen.

Mir geht es gut, auch meinem Ernst etc. Es würde mir große Freude machen, wenn Deine Herkunft sich ermöglichen läßt; dann trinken wir bei mir eine ordentliche Flasche Wein; nicht als ob der Deinige nicht auch ordentlich wäre, bist Du doch ein ordentlicher Professor – aber, Du weißt am Geburtstage Deiner Mama hattest Du eine verzweifelt verdächtige Flasche süßen Weines, womit Du Dich hattest anschmieren lassen. – Wie gehtʼs Deiner lieben Frau? Grüße sie von mir, auch Deinen Stift.

Mit herzlichen Grüßen

Dein treuer alter Freund

Finsterbusch.

a eingef.: aber populär muß er sein; b eingef.: in abstracto; c gestr.: da;

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
07.02.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2335
ID
2335