Finsterbusch, Ludwig

Ludwig Finsterbusch an Ernst Haeckel, Wustrow, 27. April 1858

Lieber Ernst!

Noch einmal aus der Ferne meinen herzlichen Dank für die liebevolle Aufnahme meiner Wenigkeit. Von hier aus kann ich Dir auch eine Erklärung meiner Eintönigkeit und meines sonderbaren Benehmens bei unserer Tour nach den Borsigschen Gärten geben. Ich hätte [!] nämlich an meinem gesunden Fuße gerade am Kniegelenk eina Geschwür, einen Schwager, der erst hier in Meclenburgs gelobtem Lande zur Auflösung kam, und der mich am Gehen hinderte und mich etwas verstimmte, so daß ich den Tag über möglichst Ruhe suchte.

Abends 8 Uhr kam ich an und fand || meinen Arbeitstisch von den Kindern mit Kränzen u. Blumen geschmückt. Das Landleben will mir nach dem 3 wöchentlichen Saus u. Braus noch nicht recht zu Sinn, indeß ich rufe: Octavio du hast‘s erreicht, mit welchem Worte die Kreuzzeitung Reichensperger wegen der Monsteradresse aus dem Regierungsbezirke Merseburg begrüßt.

Ich bin gegen meine Erwartung genöthigt, den Naturgeschichtsunterricht hier zu übernehmen, da die Französin sich dessen hartnäckig weigert. Du siehst, man stellt hier oft den Bock zum Gärtner. Zum Glück besitze ich Lübens Leitfaden; auch habe ich bereits Schleidens Pflanze mir erstanden, u. für die Kinder kommt auf meine Anordnung

Emil Postel: Führer in die Pflanzenwelt; also ein Emil wird mich in die Botanik einzuführen. ||

Übrigens macht mir schon das Bartling’sche System viel Freude, obgleich ich manches nicht verstehe, b das meiste zu verstehen mir nur einbilde.

Kannst Du mir nicht etwas Bestimmtes schreiben, ob Ernst Weiß in Berlin bleibt und in welchen Verhältnissen; ists möglich, so eröffne ich mit ihm einen botanischen Briefwechsel. Denn mit Dir wird der Briefwechsel doch nicht so flüssig und ununterbrochen, u. außerdem soll auch alles philologisch werden, was meine Feder an Dich verzapft, Du alter guter, geliebter an die Brust gedrückter Junge.

Das nächste Mal schreibe ich nur Französisch an Dich, da ich jede Gelegenheit benutzen muß um mich im Gebrauch dieser Sprache zu üben. || Ich habe heute keine Zeit mehr zu schreiben. Grüße Deine lieben Eltern bestens von mir. Meine Adresse ist einfach:

Candid. Finsterbusch

Wustrow bei Neu-Buckow

(Meclenburg).

den 27./4 58.

Dein Ludwig.

Kannst Du mir vielleicht eine populaire Botanik, und vor allem „Die Naturkräfte in ihrer Wechselbeziehung“ oder wie das gerühmte Buch heißt, per Kreuzband schicken?

a korr. aus: eine; b gestr.: man

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
27.04.1858
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2320
ID
2320