Finsterbusch, Ludwig

Ludwig Finsterbusch an Ernst Haeckel, Halle, 13. Februar 1853

Halle, am 13. Februar 1853.

Geliebter Freund!

Vielleicht kommt mein Brief eher, vielleicht später an, als es seine Bestimmung verlangt. Wie dem aber auch sein mag: er soll Dir die herzlichsten Glückwünsche Deines alten Freundes aus der fernen Musenstadt überbringen, und mag unter den vielen Gratulationen, über die Du heute Rundschau hältst, sich sein Plätzchen a ausfindig machen. Dein zweiter Geburtstag außerhalb des Familienkreises, und doch wieder ganz anderer, von Natur, als der vorige. Hoffentlich wirst Du ihn gesund begehen, heiter und vergnügt feiern. Freilich das liebe Elternpaar, den trauten Freundeskreis wirst Du vermissen. Aber man kann auch in der Erinnerung schwelgen,

„Mein Herz schlägt wann in kalter Nacht,

Wenn‘s an den fernen Freund gedacht.“

oder noch besser in den Träumen der Zukunft.

Alter treuer Freund! wenn wir uns doch einmal zusammen sehen könnten, an einem Tische zusammen trinken und dann heiter aufgeregt uns umarmen, Brust gegen Brust. Nichts geht über die Wonne, b einem Freunde mit denselben Gesinnungen, demselben Willen, denselben || Bestrebungen, so recht traut ins treue offne Auge zu blicken, die Hand recht warm, so recht ehrlich zu drücken, und beim Auseinandergehen oder gar beim Scheiden an sein Herz heranzuziehen und fest anzudrücken, als wolle man den Druck immer und immer noch fühlen.

Lieber Freund, nicht leere Phantasie ist es, was ich niederschreibe; es ist lebendige Erfahrung. Die Freundschaft, die ich hier angeknüpft habe, wie Du weißt, wird täglich inniger und fester, und nichts wird sie je zu trennen vermögen, wenngleich wir bald, sehr bald scheiden c müssen, vielleicht um uns nie wieder zu sehen. Ach, wenn Du in unserm Kreise als der Dritte dasein könntest, der Du ja in Wirklichkeit bist, welche Seligkeit! Auch er heißt „Ernst“, wie Du, auch er ist noch sehr jung, noch nicht 19 Jahr alt; aber er hat schwarzes Haar, braune durchdringende Augen, keine große Figur, aber starken Knochenbau. Wenn ich Dich mir neben ihn in Gedanken stelle, mit den blonden Locken und blauen Augen, und dann an die aufrichtige Liebe gedenke, mit welcher wir uns untereinander begegnen würden, ein Mediciner, ein Jurist und ein Philologe im schönen Bunde der Brüderlichkeit: dann breche ich || in die herrlichen Worte aus:

„Wem der große Wurf gelungen,

Eines Freundes Freund zu sein,

Wer ein holdes Weib errungen,

Mische seinen Jubel ein!

Ja, wer auch nur eine Seele

Sein nennt auf dem Erdenrund!

Und wer‘s nie gekonnt, der stehle

Weinend sich aus diesem Bund.“

Lieber Ernst, richte es doch so ein, daß Du auf Deiner Durchreise eine Nacht in Halle zubringen kannst. Dann bleibst Du aber bei mir (Märkerstraße 445). Vielleicht ist dann auch Ernst v. Möller noch hier, und dann bleiben wir eine Nacht alle drei beisammen. Es ist so schon bestimmt, daß wir den Abend vor seiner Abreise bis nach Mitternacht bei d einander bleiben, und zwar bei mir. Dann könntet Ihr am Ende zusammen nach Berlin fahren, jener fährt nur durch, weil er die Ferien erst nach Hause, nach Marienwerder, reist. Trifft es sich aber nicht so, dann musst Du ihn in Berlin späterhin besuchen, um ihn kennen zu lernen; ich werde Dir dann die Adresse geben.

Das muß aber vor allem sicher sein, daß wir uns endlich in diesen Ferien einmal sehen, und das heißt, unter uns sehen. Wie ich mich darauf freue, kann ich Dir nicht beschreiben.

Bis dahin aber wünsche ich Dir einen recht heitern, vergnügten || Sinn, und in allen Dingen eine starke Hoffnung, die sich durch nichts vernichten, durch keine Fehlschlagen schwächen lässt. Das sei mein Glückwunsch, der Dich in Dein neues Lebensjahr, auf Deine ganze Lebenszeit begleiten möge.

Es dürfte Dir unterhaltend sein, einige Neuigkeiten aus frühern Kreisen zu erfahren. In diesen Tagen ist der Schulrath Weiß gestorben, ich las‘ es zu meinem großen Bedauern in der hallischen Zeitung.

Daß f der Diaconus Simon von Merseburg versetzt wird nach Mözlig, eine Stunde von Halle, ist Dir gewiß schon bekannt. Bernhardt wird nach Stettin als Apotheker gehen.

Und nun das alte Pennal! Dem guten alten Wieck ist zu seinem Geburtstage ein Fackelzug gebracht worden. Näheres wird Dir jedenfalls Ernst Weiß schreiben.

Die Abiturienten-Arbeiten sind gefertigt, aber über die lateinischen Arbeiten verlautet bis dato nicht das Mindeste. Schröder macht hier in Halle das milde Examen. Nächsten Freitag g ist für ihn das mündliche.

Max war die Weihnachtsferien in Merseburg. Von Halle könnte ich Dir vor der Hand nichts schreiben.

Noch einmal, sei vergnügt u. heiter, und sei der innigsten und treuesten Freundschaft versichert

von

Deinem Ludwig.

Weber wollte jetzt noch nicht mit schreiben; aber er wird bald schreiben, wie er sagte.h

a gestr.: aussuchen; b gestr.: als; c gestr.: zu; d gestr.: ander; e korr. aus: keinen; f gestr.: Sim; g gestr.: haben; h weiter auf dem linken Rand quer zur Schreibrichtung: Weber wollte […] er sagte.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
13.02.1853
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2313
ID
2313