Paul von Rautenfeld an Ernst Haeckel, Wiesbaden, 15. Februar 1914
Wiesbaden, den 15ten Februar 1914.
Adelheid Strasse 105.
Hochgeehrter Herr Professor!
Früher als es mir unter gewöhnlichen Umständen möglich gewesen wäre, bin ich nach Europa auf Urlaub gekommen, um in Wiesbaden meine schwererkrankte liebe Mutter noch nach fünfjähriger Trennung wiederzusehen; doch es hat nicht sein sollen. Allein, in dieser für mich so tiefschmerzlichen Zeit ist der 16te Februar mir ein Tag der Erhebung und des Trostes, feiern Sie doch, || hochverehrter Meister, an demselben Ihren 80ten Geburtstag bei voller Geistesfrische und, wie ich hoffe, auch bei körperlichem Wohlbefinden.
Alles was das Leben in geistiger Beziehung mir lebenswert und genußreich gemacht hat, verdanke ich zuvörderst der Macht Ihres hohen Geistes, unter dessen Einfluß ich mich zu einer klareren Weltanschauung emporgerungen habe. Und ich stehe nicht allein da, es sind ihrer Tausende in allen Ländern der Erde, die gleich wie ich in dankbarer Verehrung morgen Ihrer gedenken werden, wenn auch viele, gleich wie ich, Ihnen leider nicht persönlich ihre Glückwünsche werden darbringen können. Möge || Ihnen, hochverehrter Herr Professor, noch so manches freudevolle Jahr auf Erden beschieden sein.
Ich erlaube mir diese Gelegenheit wahrzunehmen, um für Wissenschaft und Kunst Ihnen von meinen Ersparnissen einen Beitrag von fünfzehnhundert Mark hier einliegend zu übersenden mit dem Vorschlage M. 1000 für Ihr mich so sehr interessierendes Phyletisches Museum und M. 500 für die weitere Verschönerung der Ammerbacher Platte zu verwenden. Sollten Sie es jedoch vorziehen letztere Summe (M. 500) dem Ernst-Häckel-Schatz für Monismus einzuverleiben, so habe ich natürlich nichts dagegen einzuwenden.
Mit meinem nochmaligen herzlichsten Glückwunsch || zu Ihrem Freudenfeste und meiner besten Empfehlung an Ihre hochverehrte Frau Gemahlin verbleibe ich in aufrichtigster Verehrung
Ihr Ihnen ganz ergebener dankbarster
P. v. Rautenfeld